Mir ist kalt

es ist gruselig, wie er das Lied immer wieder aktualisieren kann. Und gut, das er es tut. Und mir läuft es eiskalt den Rücken runter. Nur Empörung reicht nicht mehr aus. Ich suche noch nach Möglichkeiten, mich aktiv dem entgegenzustellen. Ich halte es sonst nicht mehr aus. Was nützen Blogbeiträge, die Menschen lesen, die ähnlich ticken, alles fb Geteile…

Manchmal stelle ich mir vor, was mein Großvater tun würde. Er war in meiner Kindheit sehr prägend für mich in Sachen Antifaschismus. Er hat die Nazis erlebt, mußte seine Bücher in die Alster werfen, mußte gegen seinen Willen in den Krieg, während meine Großmutter in Hamburg im Widerstand gekämpft hat. Er hat nie viel über seine Kriegserlebnisse erzählt, aber er hat wesentlich dazu beigetragen, das ich viel über diese Zeit erfahren habe, er hat mich in meinen hoch aktiven Phasen in der Friedensbewegung immer sehr unterstützt. Er und auch meine Mutter haben mich zu einem politischen Menschen erzogen.

Gerade habe ich einen Spendenaufruf für die Lifeline gesehen und mein Konto belastet. Wenn ich sonst schon nicht viel tun kann, kann ich wenigstens so unterstützen. Jetzt werden die anklagt, die Menschenleben retten. Ich fasse es nicht. Damit Anwaltskosten bezahlt werden können, gibt es hier die Möglichkeit zu spenden: Rechtskosten für die „Lifeline“

Jeder Euro zählt….

Und wenn mehr zusammen kommt, als für die Anwaltskosten benötigt, bin ich sehr einverstanden damit, das es weiter für die Seenoterettung ausgeben wird. Ich unterstütze ja schon monatlich Ärzte ohne Grenzen, wobei deren Wirkungskreis ja nochmal größer ist.

Viel ist es nicht, was ich gerade aus meiner Komfortzone raus tue, aber besser als nix. Bei allem Unbehagen, ich habe hier auch noch meine kleine Welt, meine Familie, mein tägliches Leben, in dem es mir zugegebenermaßen inzwischen ziemlich gut geht. Das war nicht immer so und es hat auch Kraft gekostet, dahin zu kommen. Vieles mußte ich mir mühsam erarbeiten, vieles haben Martin und ich zusammen erreicht. Es hilft ja auch niemandem, Lebensverhältnisse zu vergleichen, Schicksale zu vergleichen. Man läuft Gefahr, sich selber nicht mehr ernst zu nehmen, weil man immer jemanden findet, dem es schlechter geht als einem selbst.

Aber bei allem, was so in meiner kleinen Welt wichtig ist, mich beschäftigt schon sehr, was man gegen die rechte braune Suppe tun kann. Und mein Unbehagen wird täglich größer. Das ist nicht meine Gesellschaft, in der gehetzt, gejagt wird, in der Mitmenschlichkeit keine Rolle mehr spielt. Aber ich bin Teil dieser Gesellschaft, also ist es auch meine Verantwortung, was zu tun, zu gestalten, gegenzuhalten.

Ich bewege mich in vielem durchaus in einer gewissen Komfortzone. Ich habe einen tollen Mann, eine schöne und günstige Wohnung, einen guten Job und wir stehen finanziell auch nicht schlecht da. So kann ich vieles umsetzen, was mir wichtig ist. Vernünftig einkaufen, möglichst nachhaltig leben (trotz Auto, Roller und meinem Hang zu neuen Handys… meine Schwachpunkte, ich gebe es zu, wobei ich mein Auto kaum noch bewege). Das, was wir hier haben, haben wir uns aufgebaut mit vielen Höhen und Tiefen und auch einigem Einsatz. Nicht weil wir immer höher und weiter wollten, es hat sich zum Teil einfach auch ergeben. Martin hatte Glück mit dem Pflegedienst, wo er nun seit vielen Jahren arbeitet, ich hatte Glück mit Kirchen-und Katholikentagen und jetzt mit meiner Bewerbung in Hamburg. In wenigen Wochen ist die Probezeit rum, aber da ich zum Photografen gehen soll, um ein Photo für unsere Homepage zu machen, gehe ich mal davon aus, das da nicht mehr viel schief gehen wird. Sonst hätten sie sich ja auch schon mal geäußert. Und ich betrachte es durchaus als Glück, in einem Bereich zu arbeiten, der sich gesellschaftlich einmischt, der nicht dem Kommerz und dem Gewinnstreben alles andere unterordnet. Ich arbeite nicht für irgendwelche Aktionäre oder Manager mit gierigen Mäulern. Bei uns geht es nicht um Geld, sondern um Menschen und auch das Miteinander ist entsprechend.

Ich habe früher viel ehrenamtlich gemacht, dafür habe ich keine Zeit mehr oder auch keine Kraft. Ich bin ja auch keine 20 mehr und nach täglich 9 Stunden Arbeit ist nicht mehr viel Luft. Trotzdem überlege ich, wie und wo ich mich etwas effektiver einbringen kann. Solange ich da nix finde, spende ich wenigstens und unterstütze die, die tolle Arbeit leisten, sei es in Sachen Rechtsextremismus, Flüchtlingshilfe oder anderen Bereichen. Wir haben auch schon mal die Heilsarmee unterstützt. Aber ich merke, dass mir das auf Dauer zu wenig ist.

Wenn es nicht so weit wäre, wäre ich auch heute nach Augsburg gefahren, um gegen den Bundesparteitag der AfD zu demonstrieren. Dürfen sie ja gerne abhalten, aber ich hoffe, es zeigen viele ihren Protest gegen deren menschenverachtende Positionen (neueste Anfragen der AfD waren nach Zahl der Beschneidungen in Sachsen mit der Religionszugehörigkeit der Beschnittenen und sie wollte die Roma und Sinti zählen lassen…. da klingelt es mir aber gewaltig in den Ohren). Frau Weidel träumt schon von einer Koalition mit der CSU in Bayern. Na ja, inhaltlich täte es ja passen. Die Herren Seehofer, Dobrindt und Söder sind ja schwer dabei die AfD rechts zu überholen. 35923740_1736158739754018_1879142071395155968_n

„Nun ziehen sie wieder die Mauern hoch
Und sperren die Menschen ein
Um die Rechten zu schwächen
müssten sie handeln
das müsse jetzt einfach so sein

Und wenn sie ertrinken, dann schauen sie weg
das geht sie ja gar nichts mehr an
das sind nur die bösen Schlepper schuld
und niemals der Biedermann

Dem geht es um Wohlstand und Sicherheit
um sein christliches Abendland
der hängt überall ein paar Kreuze auf und gibt Diktatoren die Hand.“

(c) Heinrich Schmitz

Aber nun ist erstmal Wochenende, ich freue mich auf unseren Ausflug nach Kiel, das Kennenlernen von Karin und ihrem Mann und auf den Kinobesuch. Ja und ich freue mich auf meinen Roseneibisch, der bald blüht20180630_081104Meine Tomaten, die so langsam erröten20180630_081144.jpgUnd es kommen täglich mehr Hummeln… es hat sich wohl rumgesprochen, das es bei mir was leckeres gibt.20180629_174822.jpgUnd auch anderes Getier scheint sich bei uns wohlzufühlen 20180629_174626.jpgKomischerweise gehen die Hummeln nicht an meine Ringel-und Sonnenblumen. Ich dachte, die seien auch lecker20180630_082850.jpgEuch allen ein schönes Wochenende. Habt es schön. Morgen gibt es dann Bilder aus Kiel, wo ich seit gefühlten Ewigkeiten nicht mehr war.

5 Anmerkungen zu “Mir ist kalt

  1. Die Betroffenheit über das unchristliche , scheinheilige und braune Gesocks, dass gerade die politische Meinung in diesem Land an sich reisst, treibt uns wohl beide um. Deshalb kann es einfach nicht sein, dass diese Entwicklung unwidersprochen bleibt.

    Aber selbst, wenn unsere Blogs nur eine kleine Reichweite haben, so zählt doch jede Stimme dagegen – denn jeder kleine Blog, der das Thema aufgreift, wird mehr Leuten zeigen, was die Seehofers, Söders, Gaulands und Weidels – ja, ich nenne inzwischen alle in einem Atemzug – für ein falsches Spiel treiben…..
    Insofern ist es auch wichtig, nicht zu schweigen.

    Und ich denke, das ist ein Engagement, das wir uns selbst mit unseren beschränkten zeitlichen Möglichkeiten leisten können. Genau wie die Spenden, die wir gerne geben.

    Sicher wäre es schöner, dabei noch mehr vernetzt zu sein und auch auf der Strasse mehr Gesicht zeigen zu können, aber was nicht geht, geht nun mal nicht.

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    Und was du schreibst zum Thema Komfortzone:

    Vor 12 Jahren, als wir uns kennen lernten, haben wir beide nicht im entferntesten davon zu träumen gewagt, dass wir einmal da ankommen könnten, wo wir heute sind.
    Dass es uns heute wieder so gut geht, beweist eigentlich, dass wir auch viel Glück hatten in unserer gemeinsamen Zeit.
    Nicht nur miteinander, sondern auch mit unseren Jobs und in vielen anderen Dingen, wobei oft eins das andere ergab.
    Deshalb habe ich auch kein schlechtes Gewissen, weil es uns so gut geht – und ich vergleiche auch nicht, was andere haben.
    Mir reicht, dass wir ohne grosse Sorgen leben können – mehr brauche ich nicht und mehr will ich auch nicht.

    1. Ich habe ja auch kein schlechtes Gewissen. Am wichtigsten ist eh, das wir uns haben, alles andere kommt danach. Das wir mittlerweile nicht jeden Cent dreimal umdrehen müssen macht das Leben manchmal leichter, aber es ist nicht das wichtigste. Wichtig dabei ist eben auch, das wir gerne unsere Jobs machen, das wir unsere kleine Familie haben. Nicht zu vergessen natürlich auch unsere beiden Hausterroristen :-)

  2. Gerade diese Komfortzone ist wichtig. Es ist wichtig, diesen Ruhepol zu haben, ein Platz und Menschen, wo man sich aufgehoben und verstanden fühlt. Wo soll man sonst Energie schöpfen? Wo soll sonst die Hoffnung herkommen? Ein schlechtes Gewissen haben, weil es einem gut geht, ist kontraproduktiv. Viktor und mir geht es ähnlich wie euch. Wir haben nicht viel, aber von dem was wir haben, versuchen wir wenigsten da und dort finanziell einen Beitrag zu leisten. Und wir leben halt nachhaltig, kaufen bewusst ein, schauen genau hin und das ist ein Beitrag, so werden Felder geschaffen und die können sich ausdehnen. Einige unserer Bekannten und Freunde haben begonnen bio zu kaufen, als sie sahen, dass wir es sogar mit knapp über ALGII es schaffen. Auch gebe ich Konstantin Wecker recht. Es gibt nicht nur diesen braunen Schmadder, es gibt auch eine spirituelle Bewegung, ein Bewusstsein, dass sich ausbreitet und mit dem eine sanfte Revolution möglich ist. Dieses Bewusstsein zu nähren und zu stärken ist doch auch etwas.

Leider keine Anmerkung mehr möglich.