Bisschen undicht

Seit heute geistern etliche Videos unter dem haschtag #allesdichtmachen von mehr oder weniger prominenten Schauspielern durch’s Netz, die schlicht unerträglich sind. Mit von der Partie Ulrich Tukur, Jan Josef Liefers, Heike Makkatsch, Wotan Wilke Möhring, Ulrike Folkerts, Richy Müller und Martin Brambach uv.m.. Als Schauspieler schätze ich einige davon sehr. Aber das ist nicht lustig und jetzt rudern sie teilweise zurück, weil der Beifall vor allem aus der Querdenker Szene kommt und auch Herr Maaßen hoch erfreut ist.

„Allesdichtmachen ist so schäbig dass es weh tut“

„Prominente deutsche Schauspieler verhöhnen Corona-Maßnahmen. Gegenvorschläge haben sie keine.“

Frau Makkatsch hat ihr Video inzwischen offline gestellt. Tja, manchmal hilft vorher nachdenken.

„Die Videos enthalten Botschaften, wie man sie von Querdenken-Demos kennt: Die Pandemie sei Panikmache, die Medien seien gleichgeschaltet, die Bundesregierung regiere autoritär.

Ja, die Kulturbranche leidet seit mehr als einem Jahr, etliche stehen vor dem Ruin, die Hilfen sind unzureichend. Aber diese Aufnahmen zeigen privilegierte, gut verdienende Menschen, viele von ihnen sind etablierte „Tatort“-Darsteller. Ist ihre Teilnahme ein Zeichen von Zivilcourage oder nicht eher von Wohlstandsverwahrlosung?“

Es sind nicht irgendwelche Gernegroße auf Rampenlichtsuche, die sich da in überraschend schlecht geschriebenen Texten am Corona-Alltag abarbeiten. Es sind Stars der Zunft darunter wie Jan Josef Liefers, Nadja Uhl, Wotan Wilke Möhring, Ulrich Tukur, Heike Makatsch, Meret Becker und Volker Bruch. Sie bedanken sich ironisch dafür, dass in dieser Zeit nur noch „einfache Wahrheiten“ gälten. Sie erzählen schlicht dummes Zeug („eine eigene Meinung zu haben ist gerade krass unsolidarisch“). Sie ätzen gegen die Medien, sie unterfüttern munter den saublöden Irrtum, es sei unmöglich in diesem Land, eine eigene Meinung zu entwickeln. Kurz: Sie bedienen vollständig und vorsätzlich das Narrativ all der Schwurbler und Verschwörungstheoretiker, die die Tatsache, dass sie ihren Egoismus kurz mal beiseiteschieben sollen, mit einer Grundrechtsverletzung von epischem Ausmaß verwechseln.

RND

Die ganze Aktion gerät gerade zum Rohrkrepierer, aber das macht sie nicht weniger ätzend.

Die Doku kann ich auch nur empfehlen, nicht nur den Schwurblern, Verharmlosern und Maskenmuffel.

Meret Becker rudert inzwischen auch zurück. Mal sehen, wer von denen sich noch äußert. Ich habe mir nicht alle Videos angeguckt, aber das, was ich gesehen habe, hat mir gereicht.

„Nun distanzieren sich die Schauspieler Meret Becker und Ken Duken wieder davon. Beide erkennen, dass die ,Aktion gründlich in die Hose gegangen‘ ist und entschuldigen sich dafür.“

Aber erst mal raushauen und sich dann hinterher distanzieren. Super gelaufen, würde ich mal sagen.

Nein, ich werde deshalb jetzt nicht keinen Tatort mehr gucken, zumal ich die Stuttgarter mit Richy Müller meistens ausgesprochen gut finde. Und auch Herr Brambach ist bei uns gerne gesehen. Trotzdem wäre es schön, wenn diese 50 ihr Hirn einschalten würden und gerne ihre Popularität für sinnvolle Aktionen nutzen würden.

Liebe „Prominente“, die bei #allesdichtmachen mitmachen.

Bravo! Wir sind stolz auf euch. Das Netz leidet doch so sehr unter einem Mangel an Un- und Halbwahrheiten, schlechten Scherzen und Zynismus, da ist eine so ehrliche Zustimmungskampagne genau das, was wir brauchen, um die Gesellschaft zu befrieden und nicht noch weiter gegeneinander aufzustacheln!

Chapeau.

Darum habt ihr euch der Kampagne des Bernd K. Wunder angeschlossen, der Corona nur für eine Grippe hält und Präventionsmaßnahmen ablehnt. Das ist wirklich schlau, mutig und garantiert der richtige Schritt, wie euch der Jubel von AfD, Roland Tichy und ähnlichen blitzgescheidten „Kritiker:innen“ jetzt beweist.

Danke dafür!

Auch Eure Vorschläge, bzw. deren „satirische” Kritik, sind wirklich großartig! All das, was Querdenker:innen bisher nicht geschafft haben, präsentiert ihr nun verantwortungsbewußt der großen Masse. Sollen die Leute doch selbst entscheiden, welchen „Experten“ sie folgen, mit all den dazugehörigen Folgen!

Sucharit Bhakdi zum Beispiel ist doch super. Nunja, er hat sich kurzerhand nach Thailand verkrümelt, weil man hier, in diesem Land voller korrupter Ärzt:innen und Politiker:innen, die Menschenrechte mit Füßen tritt und man seine Thesen immer wieder mit echter, valider Wissenschaft widerlegt. Wie unfair und diktatorisch! Da ist es in Thailand, welches bekannt für seine weitreichende Menschenrechte und seichten Coronamaßnahmen ist, natürlich wesentlich besser.

Oder Bodo Schiffmann, dem man reihenweise bewusste und manipulative Falschinformationen nachweisen kann, wie zahlreiche durch Masken und Corona-Impfungen verstorbene Kinder. Auch er verdrückte sich auf der Suche nach Freiheit. Seine Wahl fiel auf Afrika. Nun gut, vielleicht hat er sich auch einfach nur aus dem Staub gemacht, um sich vor den Ermittlungen gegen ihn, wegen Falschausstellung von Maskenattesten, wegzuducken. Ach, es gibt einfach so viele tolle, alternative Informationsquellen, die natürlich alle nur Euer Bestes wollen, Euer Geld zum Beispiel und Eure Reichweite. Wusstet ihr, dass die Querdenkerbewegung eine riesige Geldmaschine ist, die Spendengelder in Millionenhöhe generiert und ins Ausland schafft?

Wie, das Geld ist nicht bei Euch Künstler:innen angekommen, obwohl Ihr Euch doch so solidarisch zeigt? Ups. Da haben wir jetzt wohl zu viel verraten.Aber wisst ihr was, lasst uns doch einfach gemeinsam entscheiden, wen wir sterben lassen, um endlich wieder frei zu sein und machen zu können, was wir wollen! Vielleicht könnten wir abstimmen. Fangen wir doch an mit: Wer bekommt die letzte freie Atemmaschine, der Achtzigjährige oder das krebskranke Kind?

Was für eine großartige, solidarische Idee! Was auch helfen könnte: In-die-Tüte-atmen. Das beruhigt doch ganz ungemein. Dass da noch niemand drauf gekommen ist. Klasse!

Aber nunmal im Ernst: Dass Euch die Situation ebenso belastet, wie uns alle, steht außer Frage. Doch gerade ihr, als privilegierte Vorzeigepromis solltet das Hirn einschalten, bevor ihr im Oberstübchen alles #dichtmacht und euch vor den Karren einer spaltenden Bewegung spannen lasst.

Ja, man kann – man muss unsere Regierung kritisieren!

– für uneinheitliche Maßnahmen

– für planloses Rumgeruder

– für Lobbyismus

– für an vielen Stellen mangelnde Hilfen- … und sicher noch mehr.

Es gibt Vieles, was zurecht kritisiert gehört und diese Kritik gehört weggeführt von Verschwörungserzählungen, von überzogener Polemik und hin zu einer Sachebene, die dem Thema angemessen ist. Was es jetzt als allerletztes braucht, sind erhabene Prominente, die aus ihrer Wohlstandsfrustration heraus zynisch die wirklich Benachteiligten aufstacheln und diesen Unsinn auch noch als Kunst verkaufen wollen.

Schämt euch in Grund und Boden für diese schäbige Kampagne, die inzw. zwar von Youtube gelöscht aber von rechter Querdenker:innen zigfach weiterverbreitet wird. Damit konnte ja nun wirklich keiner rechnen.

Hooligans gegen Satzbau

Mir kommt da der Kaffee hoch, auch wenn jetzt einer nach dem anderen von diesen Helden zurückrudert. Kann man ja nicht ahnen, von wo der Beifall kommt, wenn man die Narrative der Quarkdenker bedient.

Als Widerstandskämpfer, die sie nun einmal sind, weht unseren Schauspielstars nun scharfer Wind entgegen. Unsolidarische Schlafschafe und Systemnutten wie Elyas M`Barek oder Nora Tschirner hoffen vermutlich auf eine Einladung zum Abendessen bei Merkel und fallen deshalb über ihre wackeren Kolleginnen mit einem beleidigenden #allenichtganzdicht oder „unfuckingfassbar“ her. Ein von der Regierung gelenkter Twitter-Mob versucht derweil, sie in die rechte Ecke zu stellen. Zum Glück verwahren sie sich sogleich „glasklar“ dagegen, wie der mutige Professor Boerne.

taz