Geklaut und für gut befunden

Diesen Text habe ich gerade im Netz gefunden:

„Ich schreibe Dir einen langen Brief, weil ich keine Zeit habe, einen Kurzen zu schreiben.“ Blaise Pascals Zitat möchte ich heute abwandeln, zu: Ich schreibe Ihnen einen langen Brief, weil es notwendig ist, keinen Kurzen zu schreiben. 

Dazu eine Geschichte von Wangari Maathai, die mich unlängst berührte. Sie ist Kenianerin und die erste Frau des afrikanischen Kontinents, die den Friedensnobelpreis erhielt. 

Eines Tages brach im Wald ein großes Feuer aus, das drohte alles zu vernichten. Die Tiere des Waldes rannten hinaus und starrten wie gelähmt auf die brennenden Bäume. Nur ein kleiner Kolibri sagte sich: „Ich muss etwas gegen das Feuer unternehmen.“ Er flog zum nächsten Fluss, nahm einen Tropfen Wasser in seinen Schnabel und ließ den Tropfen über dem Feuer fallen. Dann flog er zurück, nahm den nächsten Tropfen und so fort. All die anderen Tiere, viel größer als er, wie der Elefant mit seinem langen Rüssel, könnten viel mehr Wasser tragen, aber all diese Tiere standen hilflos vor der Feuerwand. 
Sie sagten zum Kolibri: „Was denkst du, was du tun kannst? Du bist viel zu klein. Das Feuer ist zu groß. Deine Flügel sind zu klein und dein Schnabel ist so schmal, dass du jeweils nur einen Tropfen Wasser mitnehmen kannst.“ 
Aber als sie weiter versuchten, ihn zu entmutigen, drehte er sich um und erklärte ihnen, ohne Zeit zu verlieren: „Ich tue das, was ich kann. Ich tue mein Bestes.“ 

Ist es nun Arroganz von den anderen Tieren, dem Vogel klarzumachen, dass er nichts gegen den Brand wird ausrichten können und selbst nur dazustehen, oder Dummheit? 

Zu betonen, in welch großem Reichtum, gemessen an den vergangenen Jahrhunderten und anderen Teilen dieser Erde wir leben, ist so redundant wie notwendig. 

Das Vergessen darum scheint groß, gleichzeitig existiert jedoch die törichte Annahme, einmal dagewesener Reichtum (nicht nur materieller) hat ohne Weiteres und bedingungslos einfach immer da zu sein. 
Das Bewusstsein hingegen dafür, was es braucht, diesen vielfältigen Reichtum zu bewahren, ist klein. 

Es ist so einfach, wie es anspruchsvoll ist. 

Es beginnt damit nicht zu jammern. Nicht zu glauben, man selbst müsse nichts dafür tun und andere werden es schon richten, um dann in ein noch größeres Jammern zu verfallen, wenn die Erwartung enttäuscht wird.

Es geht weiter mit dem Schärfen unseres wachsamen Bewusstseins.
Zuhören, Denken, die Akzeptanz, manches nicht oder erst später zu verstehen, Geduld und Mut immerfort zu lernen – das ist einfach wie anspruchsvoll.  

Und es endet mit einer Entscheidung. 
Das zu tun, was man tun kann. Sein Bestes zu tun. Immer und immer wieder. 

Am Sonntag können wir einen Teil unseres Reichtums erfahren. Wir können wählen gehen. 
Wir können konstruktiv unseren Willen äußern. 
Zwar gibt es keine wählbare Partei, die Eierlegendewollmilchsau heißt und unser aller Schlaraffenland verspricht. Je nachdem ist es also die Wahl zwischen Alternativen, von denen keine optimal ist.
Doch wenn etwas klar ist, dann, was nicht wählbar ist. Nämlich das, was ausgrenzt, was reduziert auf eine Einfachheit, die es längst nicht mehr gibt, was polarisiert und Menschen zu Feinden macht. 

Wenn Sie bis hierhin gelesen haben, so danke ich Ihnen von Herzen für Ihre Zeit, und sage nur noch: 

Lassen Sie uns mutig sein! 

Tun wir unser Bestes! 

Holen wir den nächsten Tropfen Wasser, denn es geht nur
g e m e i n s a m ! 

m.baetz

Die Inhaberin dieses Schuhgeschäftes habe ich in Erfurt kennengelernt. Sie ist sehr engagiert im Kampf für ein weltoffenes Thüringen. Was für sie nicht ganz ungefährlich ist. Ich nehme an, dieser Brief ist die Antwort auf eine der vielen Hetz-Mails, die sie erhält.

Ich werde am Sonntag wählen gehen. Wir können frei wählen. Das ist ein Privileg und alles andere als selbstverständlich.

10 Anmerkungen zu “Geklaut und für gut befunden

    1. Leider habe ich auch in einem anderen Laden das Gegenteil erlebt.. da wurde mir in bester AfD Manier was vorgeschwafelt, dass ich mein Portemonnaie schneller wieder verstaut hatte, als ich es rausgeholt hatte.

  1. Sehr gut geschrieben. Wie oft höre ich „das bringt doch nichts“ Antwort: wenn es viele tun, sehr wohl. Von der Kindheit kenne ich „steter Tropfen höhlt den Stein“ Liebe Grüße Brigitte

  2. Ein sehr guter Text, wenn auch der Anlass wohl weniger schön war, wie ich weiter unten gelesen habe. Wir haben bereits per Briefwahl gewählt. Selbst wenn wir keinen Schritt mehr aus dem Haus gehen könnten und nur noch einen Funken Verstand hätten, würden wir dieses Privileg nie und nimmer aufgeben!

    1. Ich habe mich länger mit ihr unterhalten und habe einen ziemlichen Respekt vor ihrem Engagement. In so einer Kleinstadt mit eigenem Laden ist das noch mal was ganz anderes als in Hamburg oder Berlin

    1. Ich habe gestern einen Aufkleber von Omas gegen Rechts mitgenommen und dachte so, vor 20 Jahren hätte ich den bedenkenlos auf mein Auto geklebt. Heute traue ich mich das nicht mehr. Dauernd zerstochene Reifen kann ich mir nicht leisten.

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