Von wegen „für Demokratie“

Seit neuestem geistert eine neue FB Seite (wohl auch tiktok und Co., aber da treibe ich mich nicht rum) durch´s Netz. Nennt sich Omas für Demokratie. Ich verlinke ganz bewusst nicht auf diesen schmierig blaunen Haufen, der ganz offensichtlich ein Ableger der AfD ist und sich durch zwei reichlich durch KI „geschönte“ Blondchen auszeichnet. Die Seite wird übrigens von einem als Kassendieb vorbestraftem Mann betrieben. Aktuell ist die FB Seite allerdings wohl eh offline.

Da werden vor allem die Omas gegen Rechts diffamiert. Als Ausflug der Gerontopsychiatrie werden da schon mal Demos mit den Omas gegen Rechts betitelt und man scheut sich auch nicht, Demoschilder mit neuen Aufschriften zu versehen, sprich schlicht zu fälschen. Wer sich die privaten Seiten der beiden Blondchen anguckt, wird schnell sehen können, wessen Geistes Kind sie sind.

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Und nun ?

Ich hatte mich schon gefreut, als der erste Test negativ war. Nun bin ich auch nicht schlauer…. Symptome habe ich ja eh kaum. Leider habe ich den Mist an den Gatten durchgereicht.

Diesmal wollten wir das nicht so ernst nehmen, dass wir alles miteinander teilen.

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Wacht die Zivilgesellschaft endlich auf ?

Wenn ich mir den Demo-Kalender inzwischen so angucke und die Zahlen der Teilnehmenden (30.000 in Köln, an die 10.000 in Leipzig, 7000 in Essen usw.), dann macht das erst mal Mut. Für viele scheint eine Schwelle überschritten zu sein und hoffentlich ist es nicht zu spät. Und hoffentlich sind die Proteste nicht nur ein Strohfeuer. Denn die eigentliche Arbeit muss woanders geleistet werden.

Demos in vielen Städten sind geplant. Braunschweig, Frankfurt, Wuppertal, Bochum, München, Minden, Gießen, Emden, aber auch Jena, Meißen, Stralsund, Perleberg, Dresden und andere Städte, die eher als rechte Hochburgen gelten, sind dabei.

Wie sagte ein Demonstrant im Fernsehen sehr treffend: Das Problem ist nicht die AfD, das Problem sind die Wähler.

Ob ich am Freitag in die Stadt kann, weiß ich noch nicht. Ich überlege schon, ob ich mit dem Auto in die Stadt fahre und mich etwas abseits halte und Maske trage. Noch zeigt der Test unerbittlich zwei Striche, beim Gatten zum Glück genauso unerbittlich nur einen. Ein Kollege hat mir angeboten, eine Perücke hochzuhalten, damit ich mit gezählt werde :-)

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Woanders zum Thema

Ich glaube, es ist wichtig, sich nicht alleine in seinem wie auch immer gearteten Engagement gegen Rechts zu fühlen und möchte mal ein paar Blogs verlinken, die das Thema ebenfalls aufgegriffen haben. Ausserdem geben einige Blogs auch noch mal einen guten Input.

Man kann ja nicht nichts tun und seine*n Wahlkreisabgeordnete*n zu konfrontieren kann nicht schaden. Deshalb möchte ich hier mal zu Christian verlinken, der ein Schreiben aufgesetzt hat, welches er uns allen zur Verfügung stellt.

Frau Herzbruch, deren Blog ich leider erst heute entdeckt habe.

Anke Gröner, die ich schon im Kommentar verlinkt habe.

Hans-Georg aus der auch geographischen Nachbarschaft

Es gibt sicherlich noch viele mehr, aber überall bin ich ja auch nicht unterwegs. Die Liste darf also gerne ergänzt werden.

Also… to be continued

Ich bekomme es allmählich mit der Angst

Wenn ich mir den Zustand unserer Gesellschaft angucke. Da werden hier bei Hamburg Rettungsboote der DRLG ausgeschlachtet und betriebsunfähig gemacht, gerade jetzt, wo sie dringend beim Hochwasserschutz gebraucht werden. Da latschen Leute über die aufgeweichten Deiche, obwohl das streng verboten ist, ignorieren Durchfahrtsverbote und müssen dann gerettet werden, da werden Sandsäcke geklaut und Retter werden angegangen.

Da geht ein wütender Mob auf Robert Habeck los, was für mich nichts mehr mit Protest zu tun hat. Man stelle sich mal vor, die Klimaaktivisten hätten eine derartige Aktion gemacht. Sofort wäre von Terroristen die Rede, sie wären vermutlich reihenweise zu Recht verhaftet worden.

Wenn das die Letzte Generation am Ufer und Friedrich Merz auf dem Boot gewesen wären, würde die BILD Bundeswehreinsätze im Innern fordern, die Polizei würde deutschlandweite Razzien durchführen, die Staatsanwaltschaft würde wegen Terror ermitteln.

Stephan Anpalagan auf FB

Habeck hingegen hat den Bauern sogar ein Gesprächsangebot gemacht-das wurde abgelehnt.

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Möglichkeitsräume

Der Tag ist noch nicht zu Ende. Ein paar Stunden haben wir noch und was könnte in diesen Stunden alles geschehen! Und damit meine ich nicht die fürchterlichen Dinge.

Ich meine keine weiteren Katastrophen, keine neuen Tragödien. Ebenso wäre es doch möglich, dass genau jetzt irgendwo auf der Welt etwas Wunderbares passiert.

Und wenn nicht jetzt, dann vielleicht in einer halben Stunde.

Wir brauchen Möglichkeitsräume. Das sind Räume, in denen alles drin ist. Innere Räume, in die man hineingehen kann und sich vorstellt, was noch nicht ist, aber sein könnte:

Zum Beispiel könnte heute Abend Wladimirs Herz warm und laut sein, und er stoppt einen Krieg.

Der Papst könnte seine Verlobung mit Alfonso bekannt geben und die ganze Kurie feiert Junggesellenabschied.

In seinem unergründlichen Ratschluss könnte Gott alle SUVs in Lastenfahrräder verwandeln.

Eine rechtsextreme Partei könnte einen Ausflug ins Bällebad machen und nie wieder auftauchen.

Irgendwo auf der Welt könnte sich ein Wunsch erfüllen, könnte jemand sagen: Ich habe mich geirrt, könnte ein Topf Basilikum überleben.

Irgendwo auf der Welt könnte Frieden beginnen, in einem Hinterzimmer, bei einer Verhandlung, an einem Küchentisch. Es wäre möglich. Vielleicht genau jetzt.

Quelle: *Freudenwort

Mir gefällt dieser Text. Da ich ab und zu auf der Arbeit unsere kleine Mittwochsandacht halte, bin ich immer auf der Suche nach schönen Texten und heute dachte ich, warum die nicht auch mal verbloggen.

Ein Privileg aussprechen müssen: Unser Leben geht weiter, während es das für andere nicht tut.

Diesen Satz habe ich gestern in einem Artikel einer russisch-jüdischen Schriftstellerin gelesen: Wortlos und schreiend

Ach ja, dieser Aktionismus, der versucht, die Hilflosigkeit, das Nicht-Verstehen zu überdecken. Kapiere es doch, Kopf, du siehst doch die Bilder, aber der Kopf verarbeitet die Bilder zu langsam, kommt den rollenden Panzern nicht hinterher, den mit Koffern an der Hand und Kinder hinter sich her ziehenden Menschen.

Geld gespendet, Plakate für die Ukraine-Solidaritäts-Kundgebung gebastelt, allen geschrieben, die der Krieg trifft, auf der Kundgebung gewesen, sich bei Portalen angemeldet, die Hilfe für Flüchtende organisieren, dann ist immer noch so viel Tag, so viel Nacht übrig, in der man tatenlos zusieht.

Lena Gorelik s.o

Das Leben hier geht weiter. Mehr oder weniger wie immer. Kaum jemand hat vermutlich Kontakt zu Menschen, die hier nun Zuflucht suchen und abgesehen von immer höheren Preisen für Energie und auch Lebensmittel hat dieser Krieg (noch?) keine weiteren Auswirkungen auf unser aller Leben. Auch wenn bei manchen sicherlich neben dem Entsetzen auch Angst mitschwingt. Die habe ich auch, das gebe ich zu. Davor, dass ein Atomkraftwerk hochgeht, absichtlich oder als „Kollateralschaden“. Gerade lese ich im Spiegel, dass Tschernobyl ohne Strom ist und das könnte Folgen haben:

Vor Ort lagerten rund 20.000 Brennelemente. Sie müssten ständig gekühlt werden. Das ist jedoch nur möglich, wenn es Strom gibt. Ohne eine Anbindung ans Stromnetz könnten die Pumpen nicht dauerhaft kühlen. In der Folge steige die Temperatur in den Lagerbecken an, es komme zu einer Verdunstung – und zu einer Freisetzung radioaktiver Stoffe in die Luft.

Spiegel.de

Davor, dass die Eskalation weiter geht und weiter den Frieden in Europa bedroht. Aber das alleine ist es nicht. Wie schon viele geschrieben haben, geht es auch mir so, dass ich mit meinen bisherigen Überzeugungen ins Wanken gerate, dass ich mich verloren fühle in meinem eigenen Standpunkt, in meiner politischen Ausrichtung.

Insofern war mein Kommentar hier vor ein paar Tagen, ich hätte eine klare Meinung zu dem Krieg, etwas sehr schnellschüssig. Ich habe eine klare Meinung zu Putin, aber ansonsten gerät gerade einiges ins Wanken. Zeitenwende-auch für Pazifisten hat es ein Mitblogger genannt und es damit auf den Kopf getroffen. Selbstverständlich war ich bisher gegen jede Aufrüstung, auch gegen die Erhöhung der Militärausgaben hier bei uns. Nur was soll eine Bundeswehr, die nicht mal warme Unterbuxen hat, schon ausrichten. Gut, soll sie überhaupt was ausrichten können, könnte man auch fragen. Und das Geld, das man jetzt in die Hand nimmt, reicht vermutlich nicht, um all die Versäumnisse mal eben aufzuholen. Auf mich wirkt es ein bisschen wie ein hektischer Schnellschuss, weil man jetzt unter Druck ist. Und diese Schnellschüsse sind nicht immer die besten. Corona hat es gezeigt.

Trotzdem sähe ich das Geld deutlich lieber in Bildung und anderem investiert. Das halte ich auch langfristig für sinnvoller investiert. Trotzdem bleibt die Frage, wie geht man gegen Aggressoren wie Putin vor? Mit Wattebäuschchen lässt sich der nicht stoppen. Auch nicht mit weltweiten Demos, Solidaritätsbekundungen und anscheinend nicht mal mit Sanktionen, die das Land hart treffen.

Und wenn ich nach Afghanistan gucke, dann sind eben Waffen auch nicht die Lösung. Wie viele Armeen haben sich dort abgearbeitet? Und sind gescheitert….

Und da hier die konsequente Energiewende verpennt worden ist, wird weiterhin Gas und Öl aus Russland gekauft und auch damit der Krieg finanziert. Vielleicht setzt jetzt wenigstens ein Umdenken ein, nicht nur in Bezug auf Energie.

Jetzt droht Russland schon selber mit der Einstellung der Gaslieferungen über Nordstream 1. Besser wäre gewesen, wir hätten in den sauren Apfel gebissen und das selber gekündigt. Wasch mich, aber mach mich nicht nass, funktioniert nun mal nicht. Andererseits hätte das weitreichende Folgen auch für unsere Wirtschaft und nicht jeder kann über steigende Kosten für Verkehrs-und Lebensmittel und Energie einfach hinweglächeln.

Russlands Ölexporte spülen täglich rund 500 Millionen Dollar in Wladimir Putins Kriegskasse. Ein Embargo wäre moralisch richtig – und ökonomisch machbar. Warum es wohl dennoch nicht kommt.

Spiegel.de

Wie immer dieser Krieg auch ausgeht, er wird die Welt, unsere Welt, nachhaltig verändern. Die Selbstverständlichkeit des Friedens, in der wir Jahrzehnte gelebt haben, ist vorbei. Auch wenn Putin sich verkalkuliert hat, wenn er diesen Krieg nicht gewinnt, er hat bereits jetzt unendliches Leid verursacht. Und egal wie es ausgeht, die Welt, unsere Welt, wird danach eine andere sein. Selbst wenn wir hier halbwegs ungeschoren davon kommen, die Gefahr eines Krieges ist nie so real gewesen, jedenfalls nicht für Menschen wie mich, die das Glück hatten, ihr ganzes Leben im Frieden gelebt zu haben.

Angst hatten wir auch in den 80ern, als das atomare Wettrüsten ein großes Thema war. Und doch war es, jedenfalls bei mir, eher so, dass ich nicht wirklich damit gerechnet habe, das eine der beiden Großmächte Ernst macht. Die Angst war deutlich abstrakter, trotz Pershing II und Cruise missiles. Und trotzdem gingen z.B. am 22. Oktober 1983 400.000 Menschen alleine hier in Hamburg auf die Straße.

Ich erinnere mich noch gut an diese Demo.

Da war ich auch dabei. Von Hamburg mit dem Sonderzug in den Hunsrück. Aber ich will jetzt nicht in Erinnerungen „schwelgen“. Damals jedenfalls ist es gelungen, mehr Menschen vom Sofa zu holen und das ganz ohne breite Aufrufe via Facebook, Twitter und überhaupt ganz ohne Internet.

Mit Angst umzugehen, konnten wir ja ein bisschen üben. Auch Corona hat mir lange Angst gemacht, aber da konnte man wenigstens ein bisschen was auch selber in die Hand nehmen.

Und doch geht es mir ein bisschen wie dieser taz-Autorin:

Schon krank oder noch überfordert? Es ist längst zu viel geworden: Klimakrise, Pandemie, nun ein alles überschattender Krieg. Die Arbeit lenkt immerhin ab, nur: Wer weiß, ob das gut ist.

taz.de

Auch wenn ich nicht unter Depressionen leide. Manchmal fühlt es sich wie eine an und ich weiß da leider, wovon ich rede.

Das hängt seit vorgestern an unserem Bürogebäude. Es war auch das Motto des letzten Katholikentages in Münster. Dieses Banner wird Putin genauso wenig stoppen wie die zahlreichen Demos und anderen Solidaritätsbekundungen. Es sind alles „nur“ Zeichen unserer Wut, Ohnmacht und Angst und trotzdem finde ich sie wichtig. Weshalb ich auch am Sonntag wieder am Jungfernstieg sein werde, wenn zur nächsten Großdemo aufgerufen wird.

Vielleicht könnten wir uns auch mal gegen Kriege anderswo in der Welt etwas mehr engagieren. Als Assad anfing, Syrien in Schutt in Asche zu legen, gab es nicht ansatzweise soviel Empörung, den Krieg im Jemen mit all seinem unfassbaren Elend nehmen wir kaum wahr, genauso wenig wie die vielen anderen auf der Welt. Und Afghanistan haben wir auch vergessen.

Die Empörung (weil eben auch die Angst) ist immer dann am größten, wenn einer der sog. Großmächte beteiligt ist. Damals im Irak, heute Ukraine….

Und wie gehen wir mit Flüchtlingen um, die nicht aus Europa kommen? Lesbos, Türkei, Libyen usw.

Es wäre auch ein guter Zeitpunkt, mal genauer hinzugucken, welchem Despoten noch so der Allerwerteste gepudert wird, weil wir ihn für unsere Interessen brauchen.

Urlaub-Zeit zu lesen

Rechner zugeklappt, Urlaub und ohne Zwischenstopp sofort auf‘ Sofa samt Ebook. Nach schwerer Lektüre ist mir gerade nicht so, deshalb habe ich mir mal Hape Kerkeling’s „Pfoten vom Tisch“ vorgenommen (Gruß an Hans-Georg, das wäre auch ein Buch für Euch ;-) ), denn die Liebe zu Katzen eint uns ja und ausserdem fand ich bisher alle Bücher von ihm gut. Dann warten noch die Leseprobe von Hasnain Kazim „Mein Kalifat“

und der 2. Band einer interessanten Hamburger Familiensaga auf meinem Reader. Elbstürme von Miriam Georg. Den ersten Teil hatte ich binnen kürzester Zeit durchgelesen. Nicht nur Hamburger Geschichte, sondern auch die einer bemerkenswerten Frau. Und dann habe ich noch den dritten Band von Achtsam morden. Auch da hatte ich die ersten beiden Bände schnell durch. Und zwischendurch ist da ja auch noch Nordfriesland

Bild aus einem früheren Nordfriesland-Urlaub

Bis dahin ist aber noch Zeit, viel zu lesen. Wir fahren ja erst am Mittwoch. Und da wir ja nun Dank der Versicherung, die tatsächlich den Schaden an unserem Auto (wohlgemerkt, den Schaden, nicht den Zeitwert!) reguliert hat, eine gut gefüllte Urlaubskasse haben, können wir es uns gut gehen lassen, wobei wir einfach ein paar schöne Tage am Meer verbringen wollen. Ohne großes ChiChi und Tamtam, was eh nicht unser Ding ist. Wind um die Nase wehen lassen, über den Deich gucken, Landschaft und Luft genießen, gut essen und einfach erholen. Ich muss nicht bei Gosch auf Sylt Aperol schlürfen

Morgen wollen wir mal eine kleine Hafenrundfahrt durch den Harburger Binnenhafen machen. Die wird zum Tag des offenen Industriedenkmals angeboten

Aber nun verziehe ich mich auf’s Sofa und widme mich Hape Kerkeling. Ich habe das Buch schon angefangen und finde es, wie alle seine Bücher, durchaus lesenswert, natürlich auch, weil ich seit über 30 Jahren Katzenbesitzerin bin (wobei man eine Katze gar nicht besitzen kann, wenn dann besitzen sie einen)

Ich wünsche Euch ein schönes Wochenende.

Ich werde jetzt eine Woche ohne Wecker und Dienstlaptop genießen.

Mit Sonne ist hier im Norden leider nicht zu rechnen…

Juli Zeh Über Menschen

Als ich das Buch gestern angefangen habe, dachte ich, na mal sehen, ob ich die 413 Seiten noch im Urlaub schaffe. Gerade eben habe ich das Buch quasi zugeklappt… ich habe es in einem Rutsch durchgelesen. Ein Buch, das ich kaum aus der Hand legen konnte.

Klug ausgearbeitete Spannung zwischen Provinz und Großstadt

„Über Menschen“ ist das Buch der Stunde gerade zu Corona-Zeiten, wo sich so vieles klärt und beschleunigt, samt Abstürzen, Einsamkeit, heilsgewissen Hassausbrüchen. Dazu noch die Fremdheit zwischen Provinz und Großstadt, nachdenklich ausgebreitet, klug, aber auch komisch und ausgesprochen süffig zu lesen.

Es gibt sogar eine Moral, als Dora schließlich merkt:“Es geht nicht darum, wer was verdient hat. Nicht einmal darum, für oder gegen Nazis zu sein. Das Zauberwort heißt ‚trotzdem‘. Trotzdem weitermachen, trotzdem da sein. Trotz allem liegt da drüben ein Mensch.“

WDR3

Clash of Civilizations

Es treten unter anderem auf: ein das Horst-Wessel-Lied grölende »Dorf-Nazi«, der wegen versuchten Totschlags einsaß, aber selbst von einem Hirntumor mit erheblicher Raumforderung bedroht wird. Ein homosexueller Blumenhändler, der mit einem linken Kabarettisten vom Niederrhein zusammenlebt. Eine alleinerziehende Mutter, die Nachtschichten in einer Gießerei schiebt, um tagsüber ihre Kinder betreuen zu können. Vieles ist nicht so, wie es auf den ersten Blick erscheint.

Und es bekräftigt Dora in ihrem Bedürfnis, sich nicht festzulegen. Eine elementare Einsicht versteckt sich mitten im Roman: »In Bracken ist man unter Leuten, da kann man sich nicht mehr so leicht über die Menschen erheben.«Stringent und geradeheraus erzählt Juli Zeh von den Fallstricken des Landlebens und den Trugschlüssen der Gutmenschen vor einer pandemieverunsicherten Gegenwart, die alle vermeintlichen Erkenntnisse infrage stellt.

Kein einziges Kapitel, kein einziger Satz des über 400-Seiten-Romans langweilt. Die Lektüre ist ein aufschlussreiches, anregendes, unterhaltsames Vergnügen für diesen zweiten Corona-Frühling – falls man nicht gerade mit dem Setzen von Saatkartoffeln beschäftigt ist.

Titel-Kulturmagazin

Ein Buch, das uns die Augen öffnet für unsere bundesrepublikanische Wirklichkeit – eine Empfehlung! Denis Scheck

An manchen Stellen muss ich zwar dem Verriss im Tagesspiegel zustimmen, aber ich finde das Buch dennoch lesenswert. An manchen Stellen ist es mir auch zu seicht, was ich aber nicht so schlimm finde, zumal man sich ja auch eigene Gedanken machen kann. So ein bisschen kann ich manches nachempfinden, da ich ja auch teilweise auf dem Land groß geworden bin und mich noch gut erinnern kann, wie wir beäugt wurden, als Städter in einem Dorf in Nordfriesland, ohne Gardinen an den Fenstern und nie beim sonntäglichen Kirchgang zu sehen. Vom verwilderten Garten ganz zu schweigen. Nur den Dorfnazi gab es nicht, jedenfalls erinnere ich das nicht.

Aber die Auseinandersetzung mit verschiedenen Lebenswelten ist nicht nur ein Stadt-Land-Thema.

Corona ist nicht das Hauptthema des Buches, aber sie kommen mehr oder weniger alle vor… die Apokalyptiker und die, die Corona für harmlos halten. Bye the way, letzteren würde ich gerne eine Reihe im RBB empfehlen. Eine vierteilige, wie ich finde, sehr einfühlsame, Dokumentation über eine Covid-Intensivstation der Charité. Ich habe noch nicht alle vier Teile gesehen, aber was ich gesehen habe, hat mich sehr berührt. Weder reißerisch noch voyeuristisch.

Und bevor ich mir überlege, was ich als nächstes lese (noch ein Buch von Juli Zeh oder doch endlich mal Achmet Altan), freue ich mich auf ein Abendessen vom Vietnamesen, dass der Gatte gerade für mich jagt :-)