Lesen gegen G20

20170705_185100

(gesichtet am Schauspielhaus, das auch Schlafgäste beherbergt)

Gestern Abend haben wir uns in die Laeiszhalle aufgemacht. Es sah fast so aus, als würden wir es nicht schaffen, weil die S-Bahnen gleich hier bei uns wegen Polizei-und Feuerwehreinsätzen in Altona und an der Sternschanze nicht fahren konnten. Aber wir haben es gerade noch rechtzeitig geschafft.

Auma Obama, Vandana Shiva, Renan Demirkan und Haidi Giuliani. Urban Priol, Günter Wallraff, Thomas Thieme, Mathieu Carrière, Konstantin Wecker, Ewald Lienen, Jean Ziegler, Samy Deluxe und die ‚Beginner‘ – haben in der Hamburger Laeiszhalle aus den Texten von Stéphane Hessel gelesen. Außerdem war die Mutter des getöteten Demonstranten aus Genua da und hat von der wohl absolut beispiellosen Gewalteskalation durch die Polizei berichtet.

G20 in eine enge Metropole wie Hamburg zu holen ist unverantwortlich – nach den Ereignissen von Genua 2001: Hier war die Polizei gegen 300.000 protestierende Menschen brutal vorgegangen – mehr als Tausend wurden verletzt, Hunderte in Polizeigewahrsam gefoltert, 18 Mal schoss die Polizei scharf, tötete den 23-jährigen Carlo Giuliani mit einem Kopfschuss. Carlos Mutter Haidi – Autorin und Parlamentsabgeordnete – erinnert an die dramatischen Geschehnisse von Genua.

20170705_191546Mit Innenaufnahmen war mein Handy leider überfordert20170705_204450Ich habe das Buch Empört Euch vor langer Zeit mal gelesen, aber die Texte kann man sehr gut immer wieder hören. Wer Interesse hat, hier kann man sich den Livestream noch mal angucken.

„Neues schaffen heißt Widerstand leisten – Widerstand leisten heißt Neues schaffen“, proklamierte Hessel, der im Oktober hundert Jahre alt würde. Und: „Die G20 sind eine zwischenstaatliche Veranstaltung ohne Legitimation. Legitimation besitzt nur die UNO.“
Für die Zusammenkunft der ‚Illegitimen 20‘ in Hamburg verhängt Bürgermeister Scholz den Ausnahmezustand an Alster und Elbe: lässt 20.000 Polizisten aufmarschieren, die Bundeswehr einsetzen, die Bürgerrechte weitgehend suspendieren.

Urban Priol hat noch seine Sicht der Dinge vorgetragen, auch sehr sehenswert und Wecker hat u.a. sein Lied Empört Euch gesungen

Als wir die Veranstaltung verließen, kam gerade die große Demo „Lieber tanz ich als G20“ an uns vorbei. Total friedlich mit guter Stimmung und begleitet von einem Polizeiaufgebot, das uns schaudern ließ. Derart martialisch habe ich die Polizei hier selten erlebt.20170705_223450Mehr habe ich mich nicht getraut zu fotografieren.20170705_223219Es sind wohl so zwischen 20-30.000 Menschen auf der Straße gewesen. Wir sind nicht weiter mitgelaufen, weil Martin heute um 4 Uhr hoch mußte und wir auch so erst kurz vor Mitternacht zuhause waren.20170705_223248Auf Kampnagel findet zur Zeit ein mehr als gut besuchter Alternativgipfel statt. Es geht also nicht nur darum, gegen etwas auf die Straße zu gehen, sondern auch Alternativen zu diskutieren.pageHeute könnte es knallen in der Stadt, die große Demo „Welcome to hell“ findet statt und das wird wohl die Demo, auf der sich auch militante sog. Linke zusammenfinden. Ich werde dem fernbleiben. Wer Steine schmeißt, hat für mich jede Legitimation verloren und mich ärgern solche Aktionen, weil sie unseren friedlichen Protest kaputt machen. Allerdings hat die Polizei hier in den letzten Tagen derartig zur Eskalation beigetragen, das es mich nicht wundert, wenn viele Menschen einfach derart wütend sind, das sie vielleicht Dinge tun, die sie sonst nicht tun würden. Auch das rechtfertigt keine Gewalt, aber die Polizei hat hier alles andere als deeskalierend gewirkt. Wir waren gestern selber ziemlich geschockt, als wir uns zwischen dutzenden Polizeiwagen und hochgerüsteten Hundertschaften wiederfanden. Mir war da schon etwas mulmig und angesichts der Ereignisse der letzten Tage habe ich auch gerade wenig Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit polizeilichen Handelns. Und das macht mich genauso wütend, wie der Gipfel selber.

HHzH-RouteDas wird die Route sein, die wir am Samstag laufen. Ich werde vorher noch zum Ökumenischen Gottesdienst in der Katharinenkirche gehen.

Hier noch ein schönes Bild von den Protesten letzten Sonntag, wo wir ja noch unterwegs waren.Germany G20Schön voll auf er Alster. Und noch ein Mediathektipp: G20-Eine Stadt im Ausnahmezustand

Eine gute Aktion fand ich 1000 Gestalten

Die Zeit hat übrigens einen relativ informativen Newsticker

11 Anmerkungen zu “Lesen gegen G20

  1. Du hast zwei lesenswerte und informative Artikel geschrieben, danke dafür, denn alles erfährt man ja nu wahrlich nicht aus dem Radio, wenn auch auf Deutschlandfunk sehr viel mehr, als auf SWR2, also habe ich mal geswitcht, denn es geht uns ja doch alle an. Ich glaube nicht an G20, aber mich würden die Alternativveranstaltungen schon sehr interessieren, aber nun … ich hocke hier und Hamburg is weit wech, nech…$herzlichst
    Ulli

    1. Kampnagel ist so hoffnungslos überfüllt und ich hatte einfach auch keine Zeit, mich mit dem Programm zu befassen. Bin ja gerade mal ein paar Tage wieder zuhause. Allerdings hocke ich viel am Rechner und lese und höre… Glotze läuft auch gerade nebenbei. Am Samstag werde ich mich auch nochmal aktiv beteiligen.

  2. Wird Zeit, dass der Wahnsinn ein Ende nimmt. Bei der Tochter einer Bekannten haben sie einen Tumor entdeckt, Blutabnahme ist zurzeit nicht, weil sie nicht wissen, ob der Fahrer rechtzeitig ins Labor kommt. Und Krankenhäuser müssen OP-Säle freihalten, falls es zu Terroranschlägen kommt.
    Ich finde es ja gut, wenn die Regierungschefs miteinander sprechen (obwohl ich zurzeit bezweifele, dass viel dabei rauskommt), aber es gibt ja wohl geeignetere Orte für ein Treffen als eine dichtbesiedelte Großstadt. :-(

    1. Man hatte nach den Eskalationen in Genua auch beschloßen, nie wieder in einer Großstadt….
      Martins Pflegedienst konnte 30 Patienten nicht anfahren, bei einem wurde der Rettungswagen nicht durchgelassen. Da hört es einfach wirklich auf

Leider keine Anmerkung mehr möglich.