„Hamburg braucht keinen Kältebus“

Tönt unsere sog. Sozialsenatorin ja so gerne ….. dafür hat der von der Alimaus und vielen engagierten Ehrenamtlichen aber gut zu tun. Gestern war es relativ ruhig, weil es nun ja auch schon deutlich wärmer ist. Aber auch gestern haben wir Menschen in die Notunterkunft gefahren, mit Schlafsäcken und Isomatten versorgt und Tee ausgeschenkt.

Gestern auf dem Weg zur Reeperbahn, wo der Kältebus stationiert ist

Mehrfach wurden wir angerufen, die Telefonnummer hat sich in Windeseile in Hamburg etabliert

Im Gegensatz zum Mitternachtsbus von der Diakonie, der feste Routen fährt und die Menschen mit Essen und Heißgetränken versorgt, fahren wir vor allem auf Zuruf. Aber wir gucken auch nach Menschen, die Kollegen aus vorherigen Schichten aufgefallen sind, denen es nicht gut geht, die aber nicht in die Notunterkunft wollten. Das hatten wir gestern auch. Eine junge Frau, ohne Schlafsack, ohne alles in einem Hauseingang in St. Georg. Erst wollte sie mit, dann bekam sie offensichtlich Angst. In St. Georg ist besonders das Frauenelend besonders groß. Viele Drogensüchtige, die sich dort prostituieren. Am Tag vorher hatten die Kollegen eine vergewaltigte Frau gefunden, die dort einfach in einem Hauseingang lag.

St. Georg ist Touri-Meile, Billig-Strich und kein ganz ungefährliches Pflaster für Frauen in Not. Ich hätte die Frau gerne überzeugt, das sie mit uns mitkommt, aber natürlich können wir niemanden zwingen. Da sie aber sehr unentschlossen wirkte, haben wir es im Übergabebuch notiert und die Kollegen heute werden nochmal nach ihr gucken.

Es ist nochmal was anderes, ob ich Weihnachten in der Obdachlosentagesstätte aushelfe oder ob man die Leute direkt auf ihrer Platte aufsucht. Da trifft man auch auf die Menschen, die es gar nicht mehr schaffen, eine Tagesstätte aufzusuchen. Und gerade deshalb ist es auch so wichtig, zu den Menschen hinzugehen und nicht zu warten, bis diese irgendwo hinkommen.

Mir ist das gestern schon sehr nahe gegangen und ich bin froh um jeden, der in den letzten Wochen vom Kältebus in eine Notunterkunft gefahren wurde, ins Krankenhaus oder in die Arztpraxis und so nicht erfroren ist. Der Gesundheitszustand dieser Menschen ist naturgemäß oft ganz schlecht. Manchmal fährt auch ein Arzt ehrenamtlich mit, aber nicht bei jeder Tour. Gestern hatten wir keinen dabei, konnten aber auf das Gesundheitsmobil hinweisen, das Menschen ohne Krankenkassenkarte versorgt.

Und es hat mich wieder mal wütend gemacht, das all diese Menschen bei jedem Wetter morgens um 9 Uhr aus den Unterkünften gescheucht werden. Viele von denen könnten etwas Ruhe gut gebrauchen. Vor einiger Zeit hat der Kältebus eine Frau mit offenen Beinen ins Krankenhaus gefahren (wo diese Menschen oft wie der letzte Dreck behandelt werden, vor allem in den Asklepioskliniken, weshalb wir nach Möglichkeit konfessionelle Häuser anfahren). Sie hätte ihr Bein schonen und hochlegen müssen, aber auch sie wurde natürlich aus der Unterkunft gescheucht. Sie läuft Gefahr, ihr Bein zu verlieren.

Vielen Menschen freuen sich einfach, wenn wir kommen, sind froh, wenn sie einen Schlafsack bekommen (die ihnen immer wieder geklaut werden) oder einfach ein paar Worte mit uns reden können. Gestern hatte ich einen Mann aus Polen neben mir auf der Rückbank, der so besoffen war, das er kaum noch wusste, wer er war, wo er war, aber so unglaublich dankbar, das wir ihn für die Nacht in die Notunterkunft gefahren haben. Volltrunken wie er war, hat er mir auf englisch seine halbe Lebensgeschichte erzählt. Die Bahnhofsmission hatte ihn sozusagen erstversorgt und dann uns angerufen.

Ich war um Mitternacht ziemlich knille, aber auch dankbar, das ich einfach in mein schönes Zuhause, in mein kuscheliges Bett konnte und wo Martin mir noch schnell einen leckeren Flammkuchen in den Ofen geschoben hat, den ich auch komplett noch um 1 Uhr nachts verputzt habe.

Wenn’s mal schnell gehen soll, durchaus eine Möglichkeit…. mal eine neue Biomarke getestet und für sehr gut befunden

Und ich kann mich heute ausruhen, wenn mir danach ist, ich kann rausgehen, wenn ich will. Ich kann auf meine Bedürfnisse hören, diese Menschen können das nicht. Und wir als Gesellschaft haben die verdammte Pflicht, da nicht wegzugucken. Beschämend genug, das die Stadt hier ihrem Auftrag nicht nachkommt und vieles in der Obdachlosenhilfe ohne Ehrenamtlich, ohne Mitmenschen, die hingucken, gar nicht möglich wäre. Und das in einer reichen Stadt wie Hamburg….

In den staatlichen Unterkünften gibt es oft viel Drangsalierung, sei es vom Personal oder von diesen unsäglichen Wachdiensten, die sich da aufspielen, als hätten sie was zu sagen. Wir fahren eine Unterkunft schon gar nicht mehr an. Denn die gehen auch uns in einer Art und Weise an, die gar nicht geht. Leider ist ausgerechnet diese die einzige, wo Rollstuhlfahrer unterkommen können. Wir fahren lieber nach Niendorf, wo wir freundlich empfangen werden und wo die Obdachlosen ohne großes Theater einfach aufgenommen werden.

Mit diesen Westen sind wir gut zu erkennen…..

10 Anmerkungen zu “„Hamburg braucht keinen Kältebus“

  1. Die Arroganz der Politik und mancher Behörden in dieser Stadt ist wirklich zum Kotzen.
    Um so wichtiger dass es die ehrenamtliche Hilfen gibt, die auch gegen diese Arroganz anarbeiten.

    1. Neben der Arbeit auf der Straße laufen da natürlich auch Sachen eher im Hintergrund… einige ehrenamtliche Helfer rücken auch den Behörden auf die Pelle und der Vorstand der Alimaus macht denen gerade richtig Dampf. Allerdings gibt es auch noch einen unerträglichen Zickenkrieg vor allem von der Caritas, die wohl selber einen Kältebus starten wollten, natürlich gegen Bezahlung von der Behörde. Das haben sie allerdings nicht öffentlich gemacht, keiner wußte davon und nun sind sie angepisst, was vermuten lässt, das es hier eher um Pfründe, denn um die Sache geht.

  2. Leipzig hat, wie wahrscheinlich jede größere Stadt, auch große Probleme. Schade, dass ich nicht laufen kann. Ich würde so gerne helfen. So fühle ich mich noch ohnmächtiger.

    1. Der Kältebus ist hier ja in einer ziemlichen Hau-Ruck Aktion entstanden, wohl auch aus der Wut über die Politik heraus. Von der Idee bis zur Umsetzung hat es gerade mal wenige Tage gebraucht. Ein Autohaus hat uns unterstützt mit dem Bus, viele spenden Geld, Klamotten und Schlafsäcke und jeden Abend bis Ende März fahren 3 Ehrenamtliche durch die Stadt. Der Plan steht komplett bis Ende März. Ärzte, Polizisten, ein Förster, es geht quer durch alle Schichten. Das finde ich wirklich beeindruckend. Jeder bringt sich soviel ein, wie er kann. Aber wir laufen auch tatsächlich viel um die Platten, die teilweise eher versteckt sind, zu finden. Deshalb ist das für Martin leider auch nix. Die junge Frau von gestern geht mir noch sehr nach… ich hoffe, die Kollegen heute können sie überzeugen. Ich habe zum Glück keine Probleme mit den, nun ja, doch eher strengen, Gerüchen, wenn die Leute neben mir im Bus sitzen. Aber das hält auch nicht jeder aus. Es gibt in einer Stadt wie Hamburg aber soviele Möglichkeiten, ein bißchen was zu tun. Ich sehe das teilweise durchaus kritisch, wenn eigentlich staatliche Aufgaben durch Ehrenamtliche abgedeckt werden, aber hier geht es erstmal darum, den Menschen zu helfen. Die Diskussionen und Auseinandersetzungen laufen im Hintergrund trotzdem. Ich habe deshalb auch ein zwiespältiges Verhältnis zu den Tafeln, die natürlich für die Menschen ganz wichtig sind, in meinen Augen aber Armut auch manifestieren, weil der Staat seine HartzIV Sätze auch darauf stützt, was ich unerträglich finde.

  3. Es ist für mich jedes Mal unfassbar, wenn ich über jemanden auf Platte stolpere und gleichzeitig den Leerstand in Häusern sehe, die zu Spekulationsobjekten werden, statt sie als Wohneinheiten für Obdachlose herzurichten. In einem so reichen Land, müsste niemand auf der Straße leben. Diese arrogante Ziege von Sozialsenatorin und ähnliche ihrer Art, würde ich gerne mal im Winter auf die Straße schicken, ohne Möglichkeit eines Bettes oder eines Daches. Asoziales Pack, das

    1. Und wir feiern Europa, aber diejenigen, die hier aus Osteuropa gestrandet sind, werden in den Notunterkünften abgewiesen. Da kotz ich echt im Strahl. Ich würde die Senatorin auch gerne mal in diesen Notunterkünften übernachten lassen… inklusive übergriffigen Wachleuten, pampigem Personal und in Angst um das letzte Hab und Gut.

    2. Das Schlimme ist ja:
      Hier in Hamburg stehen nicht nur solche Häuser leer, sondern auch einige Flüchtlingsunterkünfte – komplett mit Wachpersonal und aller Infrastruktur – und die Dinger werden sogar beheizt.

      Es wäre also kein Problem, wenn die Politik es wollte – die nötige Infrastruktur uund ausreichend Plätze wären ja da.

      1. Wenn die Politik es wirklich wollen würde, dann gäbe es hierzulande kaum noch mehr Armut. Aber ich fürchte, die Damen und Herren „da oben“ sind schon dermaßen abgehoben und fern der Realität, dass sie sich nicht einmal ansatzweise verinnerlichen können, wie das ist, arm und ausgegrenzt zu sein…

        1. Wenn Leute wie Spahn salbadern, das 400 Euro im Monat zum Leben nix mit Armut zu tun hätte… das sagt ja alles

Leider keine Anmerkung mehr möglich.