Ich mag gerade nicht wirklich

was schreiben. Mir liegt das schwer im Magen, was ich aus Lesbos mitbekomme, wobei das ja nur ein Elendslager ist und wir nicht vergessen sollten, dass Flüchtlinge auch im Libanon, in Jordanien und ganz schlimm in Libyen leiden und alleine gelassen werden. Wenn ich könnte, würde ich in den nächsten Flieger steigen und irgendwo helfen. Ich fühle mich so ohnmächtig. Und trotzdem geht das Leben hier irgendwie weiter, ich mache meinen Job, habe ab und an meine Knipse dabei, um mich mal abzulenken

Und ich rege mich über diese satte und vollgefressene Gesellschaft auf (aus einem konkreten Anlass) und letztlich gehöre ich ja auch irgendwie dazu. Gut, wir geben auch immer wieder was ab. wir geben Geld oder auch mal Zeit und know how (es muss ja nicht immer die große Weltpolitik sein) und ja, wir leisten uns auch manchen Luxus, den ich zwar nicht für sonderlich übertrieben halte, aber wir haben natürlich deutlich mehr als wir wirklich brauchen. Andererseits betrachte ich z.B. unsere Lebensmitteleinkäufe nicht nur als persönlichen Genuss, was sie ohne Zweifel sind, sondern auch als bewußten Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit beim Lebensmittelkonsum.Ja, ich weiß, Fleischkonsum ist per se nicht nachhaltig, aber darum geht es mir gerade nicht. Und natürlich ist es Luxus, sich gute und unbelastete Lebensmittel leisten zu können, während andere kaum wissen, woher sie was zu Essen bekommen. Aber es ist eben doch auch ein Beitrag, nicht alles zu kaufen, was in dieser ach so globalisierten Welt möglich ist und mir hier ermöglicht, billigste Dinge zu kaufen, während die, die es produzieren, nicht davon leben können und sich dabei auch nocht nicht selten höchsten gesundheitlichen Gefahren aussetzen müssen. Gilt für Bananen wie Klamotten.

Es hilft auch sicherlich niemandem wirklich, wenn mir meine Arbeit gerade so belanglos wie nur irgendwas vorkommt. Das ist sie sicherlich nicht, Krankenhausseelsorge, Aidsseelsorge, Bahnhofsmission, alles sicherlich nicht belang- und bedeutungslos, aber ich habe damit ja vor allem rein verwaltungstechnisch zu tun.

Sicherlich hilft es auch niemandem, wenn ich nicht mit der Kamera losziehe, wenn ich nicht versuche, hier auf meinem Balkon meinen kleinen Beitrag für Bienen und Co. zu leisten (die paar Tomaten, Litschis, Auberginen, Weintrauben, Zitronen, Oliven und Chilis sind ja eher ein Witz, der aber Spaß macht). Ich kann nicht nach Lesbos fahren, ich kann nur Geld spenden, aber vielleicht ist auch das besser als nix.

Ich verbringe auch relativ viel Zeit damit, gegen die Hetze auf Facebook zu kontern. Mag vielleicht nicht viel bringen, aber Schweigen kann ich da auch nicht.

Eine späte Balkonschönheit… Hibiscus

Mich treibt das um, aber ich muss trotzdem jeden Tag funktionieren, egal, wie sehr mir das gerade alles an die Nieren geht. Ich kann und will mir nicht die Decke über den Kopf ziehen. Auch das übrigens ein Luxus, den sich nicht jeder leisten kann. Den Rückzug ins private, das Wahren der eigenen Grenzen oder das, was man dafür hält. Aber meins wäre das eh nicht.

Ich habe Morgen zum Glück einen Termin, in dem ich das alles auch noch mal reflektieren kann, mit kritischer und liebevoller Begleitung.

Und jetzt muss ich ins Bett… ich fühle mich unglaublich erschöpft

12 Anmerkungen zu “Ich mag gerade nicht wirklich

  1. Mir fällt nix tröstendes ein, tut mir leid. Du reibst Dich gedanklich auf . Doch was nützt es. Ihr spendet Geld, aber kommt es auch den Menschen zugute, denen mit Spenden geholfen werden?
    Meine Tochter sagte heute etwas zu dem Thema Flüchtlinge nach Deutschland holen.. Sollen doch die Politiker und all die, die in großen Villen wohnen….die mehr als genug Platz und Geld haben Kinder und Mütter mit Kindern aufnehmen. Nein, das macht keiner, die reden nur und das war es. Traurig ist das.

    1. Deine Tochter hat gar nicht so unrecht mit ihren Gedanken.
      Wobei es wohl unrealistisch wäre, dass die Platz abgeben würden – aber Geld abgeben könnten sie z.B. in Form von Patenschaften, meinetwegen auch gegen Steuervergünstigungen als zusätzlichem Anreiz

    2. Ich kenne durchaus Menschen, die Flüchtlinge bei sich aufgenommen haben und sie begleitet haben. Wobei ich diese Forderung, man solle die doch selber aufnehmen, egal, ob man nun eine Villa oder eine normale Wohnung hat, ein bisschen einfach finde. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die durchaus zu stemmen ist.

  2. Ich gebe Dir Recht:

    Dieses nur-Zugucken-müssen reibt auch mich auf. Was vielleicht der Grund ist, warum ich so explizit darüber schreibe, wenn ich schon (ausser mit ein wenig Geld helfen) nichts anders (nicht mit eigenen Händen) tun kann.
    Decke übern Kopf, Rückzug ins private und weggucken ist ja auch keine Lösung, weil sich dann erst Recht nichts ändert. – und zudem auch der Druck nicht aufgebaut werden kann, den die „Macher“ (?) in Berlin wohl brauchen, um wenigstens ein bisschen in Bewegung zu kommen…. frei nach dem Motto:“wenn es sowieso keinen interessiert“

  3. Ich kann dich gut verstehen liebe Birte, denn ich empfinde ähnlich. So muss es meinem Großvater in den Dreißigern im vergangenem Jahrhundert gegangen sein. Es ist sehr schade, dass ich mich nicht mit ihm darüber unterhalten kann. Ich weiß, was er dann gemacht hat. Die Welt konnte er nicht retten, aber viele kleine gute Dinge tun. Er war immer mein großes Vorbild, auch wenn er nicht auf einer Liste der Antifaschisten stand. Vieles lief im Verborgenen und danach war es gut, wie es war. ( seine Worte)
    Liebe Birte, du machst sehr viel. Ich wünsche mir, dass du trotz allem mehr zu Ruhe kommen kannst. Ich habe Angst, dass du dich aufreibst. In fb halte ich mich zurück, d.h. auf bestimmten Seiten bin ich nicht. Ich weiß, was da steht und ich weiß, dass dort die Unbelehrbaren in ihrer Blase sitzen. Da sage ich lieber an anderer Stelle meine Meinung. Das bewirkt auch einiges.

    1. Ich reibe mich nicht auf. Ich bin bei Facebook Mitglied in der Gruppe „ichbinhier“ und versuche immer mal wieder, das auch zu unterstützen. Es geht um ganz normale Seiten von Tagesschau, diversen Zeitungen. Auch wenn ich die nicht erreiche, die da hetzen, ich möchte es eben auch nicht unwidersprochen stehen lassen. Und das tun viele aus der Gruppe und ich finde das richtig.
      Meine Großeltern sind auch Vorbilder für mich. Meine Großmutter hat im Widerstand gekämpft, mein Großvater hat später sehr dazu beigetragen, dass ich ein so politischer Mensch geworden bin. Meine Mutter ist es allerdings auch. Nein, die Welt können wir nicht retten, aber ich möchte wenigstens mir selber treu bleiben

      1. Ich gebe zu, ich kann das auf Dauer nicht aushalten, mich ständig mit den immer weder gleichen dümmlichen Sprüchen der Bräunlinge auseinanderzusetzen – auch wenn ich es gut und wichtig finde, was gerade „ichbinhier“ auf FB und anderswo macht.

        Was letztendlich auch der Grund war, warum ich mich komplett von Facebook zurück gezogen habe:
        Ich muss nicht jede dünnflüssig-dümmliche Absonderung jeden AfDlers oder die rassistischen Parolen von Oma Müller hundert mal in meiner Timeline lesen, um zu wissen, dass da was nicht stimmt in unserer Republik – und vor allem nicht mit den vollmundigen Ankündigungen fast aller sozialen Plattformen, dass sie Fake-News, Rassismus und Hetze bekämpfen wollen.
        Würde das nämlich endlich mal konsequent durchgezogen, dann wäre die Arbeit von „ichbinhier“ wahrscheinlich an dieser Stelle überflüssig – nicht aber in den Kommentarspalten von Zeitungen und Nachrichtenportalen, die schlecht moderiert sind.

        Die Konsequenz daraus kann eigentlich nur lauten, nicht nur den Nazi-Spam als Symptom zu bekämpfen, sondern – und vor allem – auch etwas gegen die Plattformen zu unternehmen, die ihn ungefiltert verbreiten und damit erst die Basis schaffen für alle Hildmans und Höckes dieser Welt

        Just my two Pence….

Leider keine Anmerkung mehr möglich.