Jetzt stelle ich auch mal eine Frage

Ich unterstütze seit etlichen Jahren die Initiative „Bedingungsloses Grundeinkommen“ mit einem kleinen monatlichen Obolus. Von dem Geld werden in gewissen Abständen Grundeinkommen verlost. 1 Jahr 1000 Euro, ohne Bedingung. An den Verlosungen kann jede*r teilnehmen, ich nehme als Unterstützerin immer automatisch teil, habe aber noch nie gewonnen. Aber darum geht es ja auch nicht.

Nun reichen 1000 und das für „nur“ ein Jahr natürlich nicht zum Leben, aber die Idee dahinter finde ich gut und manche setzen mit diesem Geld dann Ideen um, die sonst wohl in der Schublade geblieben wären, machen Fort-und Weiterbildungen oder wagen den Schritt in die Selbstständigkeit.

Großer Verfechter des bedingungslosen Grundeinkommens war u.a. Götz Werner, der Chef von dm. Er hat auch ein Buch darüber geschrieben. Ich will hier jetzt nicht die Frage der Finanzierbarkeit diskutieren. Die hat er beantwortet. Es wäre finanzierbar, weil der ganze Verwaltungsapparat von HartzIV wegfallen würde und die Lohnnebenkosten in Form von Arbeitslosengeld. Natürlich müssten es mehr als 1000 Euro sein.

Durch ein Grundeinkommen, das ausreichend für materielle Existenz und kulturelle Entwicklung eines jeden Menschen sein müsste, wäre die individuelle wirtschaftliche Lebensgrundlage gesichert, wodurch die Menschen mehr Flexibilität und Unabhängigkeit gewinnen würden, gerade in Phasen wie Ausbildung und Studium, der Auflösung von Lebenspartnerschaften oder auch im Alter. Arbeitsplätze müssten attraktiver gestaltet werden, was wiederum dazu führen würde, dass die Menschen motivierter arbeiten würden, weil sie das tun könnten, was sie für sinnvoll halten. Zugleich wäre das Grundeinkommen wettbewerbsfördernd, weil schlechte Arbeitsverhältnisse und fragwürdige Produkte teurer würden.

Also mal angenommen, es gäbe dieses Geld, wie würdet Ihr damit umgehen? Weiterarbeiten? Weniger arbeiten? Ganz aufhören oder nur noch machen, was einem wirklich Spaß macht?

Natürlich kann man die Frage stellen, wer denn dann all die vermeintlichen „Scheiß-Jobs“ machen würde, wenn jeder erst mal seine grundlegenden Bedürfnisse befriedigen könnte. Aber ich denke, es gibt auch Menschen, die Jobs, die wir uns gar nicht vorstellen können, tatsächlich auch gerne machen.

Ich persönlich würde wohl am ehesten kürzer treten wollen. Halbe Stelle, dreiviertel, sowas in der Richtung. Eine bessere work-life-balance, wie das so schön auf neudeutsch heißt. Oder mal eine Art Sabbatical machen.

Es gibt ja Firmen, die längst ausprobieren (mit Erfolg) wie das gehen kann. 30 Stunden bei vollem Lohnausgleich, Vier-Tage Woche mit entsprechend mehr Stunden an den vier Tagen, all das gibt es schon und gerade heute habe ich gelesen, dass die jüngere Generation sehr viel mehr Wert darauf legt, dass der Job nicht alles im Leben ist.

Die meisten werden da keine Wahl haben, auch ich nicht. Von einer halben Stelle könnte ich nicht leben, bzw. müsste mich doch sehr einschränken. Mal abgesehen davon, dass das meine Rente noch mehr schmälern würde und die wird eh nicht üppig ausfallen.

Ich würde definitiv weiterarbeiten, auch wenn das Grundeinkommen auskömmlich wäre. Ich arbeite gerne und für mich ist Arbeit auch mehr als der reine Broterwerb. Und auch, wenn es Tage gibt, an denen ich meinen Job bzw. meine Chefs verfluche, so gehe ich doch meistens gerne ins Büro, mag den Austausch mit den Kolleg*innen. Früher war mir auch die Struktur, die mir ein Job gab, sehr wichtig. Die brauche ich nicht mehr zwingend. Die kann ich mir auch selber schaffen, bzw. laufe nicht mehr Gefahr, in eine Depression abzurutschen. Diese Zeiten habe ich zum Glück hinter mir gelassen. Aber mich auf den Folgen einer posttraumatischen Belastungsstörung, Depressionen und Angsstörung ins Berufsleben zu kämpfen, hat mich viel Kraft und Zeit gekostet. Ich habe auch so manchen Scheiß Job gemacht, wobei keiner einfach nur so war. Aber ich habe körperlich hart gearbeitet, habe übelstes Mobbing erlebt. Letzteres würde ich mir mit einem finanziellen Polster nicht mehr einfach gefallen lassen. Der Weg da raus war mühsam, weil ich ärztliche Atteste brauchte, um mit Genehmigung des Arbeitsamtes kündigen zu dürfen, ohne eine Sperre zu riskieren.

Da, wo ich jetzt angekommen bin, fühle ich mich ganz wohl. Und das ich da ankommen konnte, habe ich ein Stück weit auch meiner viereinhalb jährigen Tingelei zu verdanken. Die Arbeit in Regensburg, Stuttgart, Leipzig, Berlin und Münster bei Kirchen-und Katholikentagen haben mir viel Entwicklung ermöglicht. Es war eine irre stressige Zeit, aber auch eine tolle.

Weiter arbeiten würde ich auf alle Fälle, aber dann vielleicht weniger. Und ich kenne auch kaum jemanden, der z.B. HartzIV bezieht, weil er nicht arbeiten will. Die Gründe sind meist andere. Und ich habe ja selber erlebt, dass man mir mit über 40 beim Arbeitsamt gesagt hat, ich sei nicht mehr vermittelbar. War ich dann doch, aber ich habe es selber in die Hand genommen.

Ein bedingungsloses Grundeinkommen wäre sowas wie eine Grundabsicherung, alles andere ist dann on top und jeder kann selber entscheiden, was und wieviel er dafür tun möchte. Wir könnten uns die ganze HartzIV Schikane schenken.

Finnland hat ja schon ein Experiment gestartet und als erfolglos wieder beerdigt. Allerdings haben nur wenige Menschen ein Grundeinkommen von 560 Euro erhalten und das ganze war als arbeitsmarktpolitische Maßnahmen konzipiert. Als solche ist sie gescheitert, trotzdem wurde festgestellt, dass die Menschen zufriedener waren. Auch in Kenia und Spanien laufen Projekte, aber die Idee von Herrn Werner oder auch dem Verein, den ich unterstütze ist eben keine arbeitsmarktpolitische.

Denn aus ihrer Sicht geht es bei dem Konzept nicht darum, mehr Menschen in Arbeit zu bringen, sondern allen Bürgern ein würdiges Leben mit gesellschaftlicher Teilhabe zu ermöglichen. So berichtet etwa auch Michael Bohmeyer vom Berliner Verein „MeinGrundeinkommen“, der aus Spenden generierte Grundeinkommen verlost, vor allem von positiven Effekten auf die Psyche der Menschen. „Wir merken bei unserem Experiment, dass das Grundeinkommen vor allem bei denen wirkt, die es rein rechnerisch überhaupt nicht brauchen, die aber trotzdem die ganze Zeit eine Existenzangst mit sich rumtragen“, sagte Bohmeyer dem stern. Der Verein hat bislang rund 600 Menschen ein Grundeinkommen von 1000 Euro im Monat für ein Jahr ermöglicht, um Erfahrungen zu sammeln. Anders als in Finnland dürfen hier nicht nur Arbeitslose, sondern jeder mitmachen.

Stern.de

Ob es kommt und ob ich das noch erleben werde, keine Ahnung. Im Moment bin ich schon froh, dass Corona das Thema Home Office so gepuscht hat. Ich glaube, ich hätte das sonst bis heute nicht. Mein Arbeitgeber ist in solchen Dingen ja doch eher etwas träge. Dafür hat er andere Vorteile wie Tarifbindung, Urlaubs-und Weihnachtsgeld und auch einem insgesamt guten Miteinander.

Insgesamt werden wir nicht drum herum kommen, Arbeit neu zu denken und vielleicht müssten jetzt nicht permanent Milliardenpakete mit der heißen Nadel gestrickt werden, wenn die Menschen insgesamt besser gestellt wären. Und wenn die Menschen zufriedener sind, sind sie auch weniger anfällig für Hetze und Hass a la AfD.

Aber bis sich da mal was tut, wird es wohl noch dauern. Leider. Sollte ich das Grundeinkommen mal gewinnen, wüsste ich jedenfalls, was ich mit dem zusätzlichen Geld machen würde :-) Das Ganze funktioniert über Spenden und es wird immer dann verlost, wenn genug Geld zusammen ist. Inzwischen hat der Verein über 1200 Grundeinkommen verlost. Hier kann man z.B. nachlesen, was die Gewinner*innen aus 2022 mit ihrem Grundeinkommen so vorhaben. Nicht alle haben was angegeben, aber viele und es ist sehr bunt gemischt.

Man kann sich da auch über die Idee ein bisschen schlau machen. Eine Quintessenz ist:

Eine Gesellschaft mit Grundeinkommen stärkt den Menschen. Der Mensch wiederum stärkt die Gesellschaft.