Allmählich bin ich wütend

„SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert rief die Gesellschaft zum Engagement gegen die AfD auf. „An alle gerichtet, die nicht wollen, dass sich Geschichte wiederholt, appelliere ich: Bekennen Sie Farbe, und überlassen Sie das Feld nicht den Menschenfeinden“, sagte Kühnert den Zeitungen der Funke Mediengruppe.“

Die Zeit

Verehrter Herr Kühnert, viele Menschen in diesem Land engagieren sich schon lange gegen Rechts und sind immer wieder ausgebremst worden. Die Ampel kürzt Zuschüsse für die Bundeszentrale für politische Bildung, Vereine, die sich gegen rechts engagieren, die Aussteigern helfen, kriegen kein Geld mehr und jetzt, wo Ihnen der Arsch auf Grundeis geht, sind wir alle gefragt.

Er hat unzweifelhalft recht, wenn er uns alle auffordert, sich gegen Rechts zu engagieren. Das gilt aber nicht erst, seit dieses Treffen bekannt geworden ist.

Ich bin eben mit dem Bus nach Hause gefahren und dachte so, wenn die feuchten Träume der AfD und der Wertunion wahr würden, wäre der leer gewesen. Wir könnten nicht mehr zu unserem Vietnamesen essen gehen, auch die griechischen und italienischen Lokale wären weg. Keinen Döner mehr auf die Hand, nur noch Currywurst/Pommes und Broiler.

Ich glaube, unter vernünftigen Menschen muss man diesen Schwachsinn auch nicht diskutieren. Erschreckend ist es trotzdem und erinnert an ganz dunkle Zeiten in diesem Land.

Liebe Leute, ein paar Worte aus Anlass der @correctiv_org

-Recherche zum Treffen von Martin Sellner und anderen Rechtsextremisten in Potsdam.

Ich habe Sellner über fünf Jahre für mein Buch begleitet, war bei einem Rekrutierungstreffen dabei und habe tiefe Einblicke in die Szene gewonnen.

Dass sich AfD-Leuten mit ihm treffen, ist kein Wunder. Leute wie Sellner dienen als Vorfeld-Organisation, um extremistisches Denken und Sprechen in den sogenannten Mainstream zu bringen. Ziel dieser Strategie ist es, so harmlos wie möglich zu erscheinen.

Worte wie Remigration sollen so wirken, als ginge es um eine gutgemeinte, insgesamt freundliche Rückführung in die Heimat. Tatsächlich aber geht es um nichts anderes als eine Deportation, wie wir sie aus der Geschichte kennen.

Auch ich saß Sellner immer wieder gegenüber und dachte: „So krass sind die doch nun auch wieder nicht.“ Aber mit Abstand muss man sagen: Es ist alles noch viel dramatischer.

Rechtsextremes Denken funktioniert wie ein Trichter: Erst sind es die kriminellen Migranten, dann die ohne deutschen Pass, dann die mit deutschem Pass und schließlich auch Deutsche, die ich weigern, fremdenfeindlich zu sein. Im nächsten Schritt sind es dann Transgender, Queere, Schwule…Lesben – alle, die sich einer homogenen Masse entziehen.

Wieder einmal zeigt sich: Die AfD ist keine Protestpartei. Sie ist das Ende unserer Freiheit.

Florian Schroeder via Twitter

Und dann könnte wahr werden, was Martin Niemöller einst geschrieben hat:

Und wenn Herr Scholz jetzt auch mal leidlich aus seinem Koma erwacht und meint, die AfD sei ein Fall für den Verfassungsschutz, möchte ich ihm sagen, ja, aber sie ist vor allem ein Fall für das Bundesverfassungsgericht. Auch Herr Scholz hat lange seelig gepennt, wie fast alle anderen auch. Im Zweifel sind eher die Antifaschisten beschimpft worden, die Omas gegen Rechts belächelt, statt sie zu unterstützen. Wenn ich ehrlich bin, wundert mich dieses Treffen überhaupt nicht, entsetzen tut es mich natürlich trotzdem.

Es war übrigens auch eine AfDlerin, die massgeblich an dem Angriff auf Robert Habeck beteiligt war.

Es geht um eine Frau, die für die AfD bei einer Wahl antrat und offenbar der Verschwörungsideologie der QAnon-Bewegung anhängt. Und es geht um einen bekannten Lohnunternehmer aus Nordfriesland, der mit seiner Firma für Landwirte unter anderem Gülle und Saatgut ausfährt und seine Fahrzeuge mit Fahnen schmückt, auf denen das Symbol der rechtsradikalen Landvolkbewegung prangt.

Die Zeit

Die Fragen, wie Demokraten sich von der AfD künftig wirksam auf allen Ebenen abgrenzen und ob es Zeit für ein Verbotsverfahren wäre, könnten auf ein neues Niveau gehoben werden. Könnten.

In der Realität sieht es bislang nicht danach aus.

Der Spiegel

Ach ja, kam eigentlich auch schon was von Herrn Merz? Es waren immerhin auch Mitglieder der CDU dabei, Vertreterinnen der Werteunion. Hat es ihm die Sprache verschlagen, fällt ihm nix mehr ein, womit er wider besseres Wissen hetzen kann?

Mir ist wirklich Angst und Bange. Passend dazu die düstere Nebelstimmung heute morgen auf dem Weg zur Arbeit

Ich bin trotz Streik und Treckerdemos ziemlich gut durch die Stadt gekommen. Hin mit dem Schiff, zurück ganz normal mit der S-Bahn. Alles ziemlich entspannt.

18 Anmerkungen zu “Allmählich bin ich wütend

  1. Herr Merz, was soll von dem schon kommen? Der war ja schon voll ausgelastet damit, mit mehrtägiger Verspätung nach der Mob-Attacke auf Habeck darauf hinzuweisen, der möge das jetzt aber bitte nicht moralisch überhöhen … Wie man sich als so böser Mensch unfallfrei rasieren kann, wird mir ewig ein Rätsel bleiben.

  2. Ich bekomme öfters als Antwort „das sind nur ein paar einzelne, das darf man nicht überbewerten“. Da fällt mir nix mehr ein und ich versteh’s nicht. Wenn man sich z.B. vorstellt, dass im Krankenhaus alle weg sind die „ungewollt“ sind, wer versorgt die Kranken? Was ist mit der Müllabfuhr? usw … Sind dann soviel „richtige“ Menschen da die den Kollaps vermeiden? Wenn ja wo sind diese Menschen jetzt? Oder zählen die Kranken auch zur „Liste“ ? Freut mich, dass Du gut durch die Stadt gekommen ist. Bei uns ist nun Sonne. Gruß Brigitte

    1. Ich fürchte, die Kranken, die Behinderten, die queeren Menschen … werden die nächsten sein. Und deshalb müssen wir laut und eindeutig Position beziehen, sonst sind wir auch irgendwann „lebensunwert“, weil niemand von uns nur zu einer einzelnen Zielgruppe gehört.

      1. Moin Anja. Nach ü40 Jahren Erfahrung mit behinderten Menschen und Blick auf die letzten Entwicklungen im Lande denke ich sagen zu dürfen, dass deine Befürchtungen nicht ganz von der Hand zu weisen sind.
        Oder wie ich’s gestern geschrieben habe: „Wenn sich die Bauern nicht gewertschätzt fühlen, wie von ihren Oberlobbyisten zu hören ist, was sollen dann die Empfänger von Grundsicherung und anderen Sozialleistungen sagen?“
        Ja bitte, lass uns „laut und eindeutig“ ein!
        Grüße aus OH

        1. Ene mene meck, und DU bist weg! Und ich auch, und viele andere. Ja, vermutlich. Mein Schwiegersohn dachte letztens laut übers Auswandern nach, wenn es kippt. In seinem Alter dachte ich auch noch so. Inzwischen bin ich der Meinung, das löst nichts.
          Aber ehrlich gesagt, kann ich im Falle des Falles nur hoffen, so standhaft zu sein wie mein Opa damals, der als Gewerkschafter auch von der Gestapo einbestellt wurde. Dass sie ihn letztlich laufen ließen, lag daran, dass er Metallfacharbeiter und damit „kriegswichtig“ war. Und so mussten sie sich mit der „Laus im Pelz“ abfinden. Und er konnte mit seinen subversiven Tätigkeiten still und leise, unter dem Radar, weitermachen.

          1. Meinen Großvater haben sie sich gekrallt, meine Großmutter hat derweil in Hamburg im Widerstand gearbeitet. Auswandern löst nix, aber drüber nachgedacht habe ich auch schon. Nur wohin… der Rechtsruck findet gerade überall statt.

    2. @ Brigitte Sie wollen ja Bürgergeldempfänger zur Arbeit zwingen und den Fachkräftemangel durch ´s Kinderkriegen kompensieren. Kann auch sein, dass mein Bus gestern gar nicht hätte fahren können, weil keiner da ist, der ihn steuert

      1. Na ja, ich sag‘ mal so: Da sieht man, welch Geistes Kind die sind, die so etwas fordern. Es wird pauschalisiert, nur weil einige wenige, eine ganz kleine Minderheit, das Sozialsystem ausnutzt.

  3. Moin Birte.
    Zunächst zu deiner Merz-Frage: Vorgestern (!) hat er zu Schlüttsiel nur getwittert, das letzte Woche sei nicht in Ordnung, aber er (Habeck) solle das nicht moralisch überhöhen. Den Screen dazu habe ich noch. Ich denke, diese Art spricht für sich.
    Beim Rest bin ich völlig bei dir. Als ich erstmal von dieser „Remigrationsmeldung“ las, war ich komischerweise gar nicht mal erstaunt. Die war für mich irgendwie erwartbar, entspricht für mich ganz widerwillig einer sich fortsetzenden gewissen Logik. In diesen Momenten denke ich oft an die „Damals-Gespräche“ mit meinen beiden Großvätern zurück, wie sich in den 30ern was entwickelt hat. Bezogen auf die heutigen Ereignisse sind das dann oft Déjà-vu-Erlebnisse, als wenn ich das alles schon mal gehört hätte. Und weil ich das so empfinde, versuche ich dagegen anzuschreiben und freue mich über jeden, der das ebenso macht.
    Grüße aus OH

    1. Ich bin sehr von meinem antifaschistischen Großvater geprägt worden und kann gar nicht anders, als den Mund aufzumachen. Das wird nicht reichen, aber Schweigen ist auch keine Option

  4. Herr Merz hat sich geäussert:
    „Wir müssen diese Partei inhaltlich stellen, weil sie nirgendwo realistische Antworten hat“.
    Er ist somit ein Kandidat für 33 – 45 kg Geschichtsbücher, die Anke Gröner Personen an den Kopf werfen will, so sowas oder ähnliches sagen. Ich reiche Anke Gröner gerne die Bücher an.

Leider keine Anmerkung mehr möglich.