Vegan leben

Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich in sämtliche Nesseln setze, muss ich jetzt auch mal was zum Thema loswerden. Ist ja ein hippes Thema quer durch’s Netz und auch auf der Arbeit geht das Thema gerade um, weil wir ein kleines Sommerfest planen.

Es gibt vielleicht gute Gründe für vegane Ernährung, aus meiner Sicht aber durchaus auch welche dagegen, aber darüber will ich nicht schreiben. Ich habe schon oft genug erzählt, woher unsere Lebensmittel kommen und ich kann damit so gut leben und ich bilde mir ein, die Umwelt auch.

Ich möchte die Leute, die ihre vegane Lebensweise so hervorheben, gerne mal fragen, wie es denn sonst so aussieht? Bei manchen kommt mir das schon wie Greenwashing vor. Ich z.B. benutze schon seit Jahren nur Putz-und Kosmetikartikel ohne Mikroplastik. Mein Haushalt ist, abgesehen vom Katzenfutter leider, nestléfrei. Ich habe sogar eine App auf dem Handy, um nachgucken zu können, ob ein Produkt zur Nestlé Gruppe gehört (dazu gehören nämlich leider inzwischen auch Bio-Hersteller wie Sante und Logona). Ich kaufe Klamotten nur Second Hand oder aus Herstellung, die ich nachvollziehen kann und hoffe, das meinetwegen keiner barfuß in giftigen Färbemitteln rumlaufen muss. Meine Schuhe sind aus Leder, aber chromfrei gegerbt. Mikroplastik in Kleidung vermeide ich ebenfalls, sprich vor allem keine Fleece, Webpelz und wo noch überall reichlich Plastik drin ist, die sich bei jedem Waschen löst und im Abwasser landet, wo keine Kläranlage sie raus kriegt.. Und bei Wolle achte ich auf muselingfreie Wolle. Trotzdem habe ich da auch noch Verbesserungsbedarf, ich kaufe nämlich zu viel Kleidung, weil ich einfach Freude an schönen Klamotten und bestimmten Stilen habe. Auch wenn vieles davon Second Hand ist, zuviel ist es trotzdem.

Zum Thema Mikroplastik hier noch ein lesenswerter Artikel: Mikroplastik: Ein viel größeres Problem als viele denken

Das größte Problem ist übrigens der Abrieb von Reifen und da können auch wir uns nicht von frei sprechen. Das Auto bewegen wir zwar immer weniger, aber die Roller fahren ja auch nicht ohne Reifen.

Unsere Lebensmittel sind überwiegend regional und saisonal, ich achte darauf, dass kein Palmöl verarbeitet wurde. Insgesamt denke ich, kaufe ich schon sehr bewusst ein, bemühe mich um umweltverträgliche Produkte, weshalb wir ja auch fast ausschließlich Bio kaufen. Ob das nun gesünder ist oder nicht, lasse ich mal dahin gestellt. Besser für die Umwelt ist es allemal. Und besser schmecken tut es sowieso. Ich schmeisse auch weniger weg, weil z.B. ein Salat aus dem Hofladen locker eine Woche im Kühlschrank knackig bleibt.

Was ich damit sagen will, vegane Ernährung ist vielleicht ein guter Ansatz, aber das alleine macht es nicht. Wo kommen denn die Zutaten her, die man für diverse Ersatzprodukte braucht? Und wenn ich dann kiloweise Avocados (hier ein Artikel dazu, welche Ressourcen der Anbau verbraucht) und Tomaten aus wasserarmen Gebieten kaufe, dann ist der Umwelt kaum gedient. Und in manchen veganen Alternativen ist mehr Chemie drin, als ich im Essen haben möchte.

Ich habe mir mal die Mühe gemacht und einiges zu den ganzen Zusatzstoffen recherchiert, die z.B. in veganer „Sahne“ so drin sind. Da wimmelt es nur so von E’s und wenn man die mal googelt, vergeht zumindest mir der Appetit. Von Darmentzündungen bis hin zu krebsauslösend ist so ziemlich alles dabei. Wohl bekommt’s. Und ohne Palmöl kommt das Zeugs auch nicht aus. Auch die Unmengen von z.B. Cashewkernen, die für viele Ersatzprodukte gebraucht werden, ist nicht unproblematisch. Nachzulesen hier

Erntehelfer werden nur minimal bezahlt, Kinderarbeit ist an der Tagesordnung, und in der Weiterverarbeitung sind die Mitarbeiter den schädlichen Dämpfen des toxischen Schalenöls ausgesetzt, die bei der Röstung entstehen.

Viele Arbeiter leiden unter Schleimhautverätzungen durch Einatmen des Rauches oder an Hautschäden an den Händen, verursacht durch das Knacken ungerösteter Cashewnüsse.

Ich höre selten, dass sich Veganer auch darüber Gedanken machen. Und wenn ich Obst und Gemüse, ordentlich mit Glyphosat gespritzt, kaufe, ist der Umwelt auch nicht wirklich geholfen. Auch bei Bio ist nicht alles gut. Wenn ich sehe, dass die großen Ketten wie Alnatura und Dennree Erdbeeren zu Unzeiten verkaufen, die natürlich nicht regional sind, dann kann ich nur sagen, das war es nicht, wofür Leute wie ich uns schon 30 und mehr Jahren engagiert haben, als die ersten Bioläden aufkamen und auch ich mit Begeisterung meine ersten Grünkernbratlinge gegessen habe, die ich heute noch nach einem Uralt-Rezept mache. Oder das Öko-Firmen mehr oder weniger klammheimlich an Nestlé oder Unilever verkauft werden, was für Otto-Normal-Verbraucher kaum zu erkennen ist. Schwierig dann für die, die solche Firmen nicht unterstützen wollen. Da ich selber einige Zeit in der Bio-Branche gearbeitet habe, bekomme ich sowas meistens noch mit. Ich kaufe Bio-Lebensmittel, seit es sie gibt, bin sozusagen ein Öko der ersten Stunde, damals noch als Jesuslatschen-Trägerin und Müslifresserin verspottet.

Bei manchen (nicht bei allen, das möchte ich ausdrücklich betonen!) Veganern geht mir schlicht die zur Schau getragene vermeintliche moralische Überlegenheit auf den Keks. Mir geht es tatsächlich um Nachhaltigkeit und das nicht nur beim Essen. Und das Lammfleisch von auf Deichen gehaltenen Schafen, die gleichzeitig für die Deichpflege unverzichtbar sind, ist sicherlich weder von gequälten Tieren, noch von welchen, die Unmengen an Weizen benötigen. Die Galloways auf „unserem“ Biohof stehen das ganze Jahr draußen und sind Teil des Hofkreislaufes. Natürlich brauchen sie im Winter Futter in Form von Heu. Eier und Hühnerfleisch kaufen wir ebenfalls im Biohofladen. In Sachen Bruderhahn habe ich inzwischen dazu gelernt und muss gestehen, dass ich bisher nicht gewußt habe, dass die Ökobilanz der Hähne nicht gut ist und dass hier gut gemeint nicht gut gemacht ist.

Ich gebe zu, dass ich unseren Fleischkonsum so in Ordnung finde. Und die Menge regelt sich bei unserem Einkaufsverhalten schon über den Preis.

Inzwischen tue ich mich auch immer schwerer damit, tierische Produkte zu essen, von denen ich nicht weiß, wo sie her kommen, aber trotzdem kann auch gelegentlich mal essen gehen und muss nicht alles hinterfragen. Es ist klar, dass der Gyros-Teller beim Griechen für 18,50 oder wieviel auch immer, nicht bio sein kann. Wir gehen sehr selten essen, meistens im Urlaub, aber da haben wir wir auch schon ganz vorzüglich regional gespeist, wie zuletzt in Bad Doberan. Im Hotel esse ich grundsätzlich keine Eier mehr, ausser ich weiß, dass es Bio-Eier sind (wie in unserer schönen kleinen Pension in Schleswig, wo das ganze Frühstück Bio ist) und ich frage auch penetrant nach, was im „noblen“ Maritim in Stuttgart so gar nicht gut ankam. Es gibt inzwischen auch ambitionierte Gastwirte/Köche, die sich bemühen, das ganze Tier zu verarbeiten und nicht nur die Filetstücke auf den Teller zu bringen.

Ich will hier weder andere mies machen oder mich selber besser darstellen als ich bin, aber ich merke, dass mir diese ewigen Vorhaltungen, weil ich auch mal Fleisch esse, so einseitig schlicht auf die Nerven gehen. Nachhaltigkeit ist für mich mehr, als auf tierische Lebensmittel zu verzichten. Und was ich eben auch erlebe, ist, dass ein sachlicher Austausch kaum möglich ist. Man isst vegan, wenn man die Welt retten will. Punkt. Ende der Diskussion.

Ich denke, wenn wir alle etwas bewusster konsumieren, wäre schon viel gewonnen und wir könnten vielleicht auch mehr Toleranz walten lassen.

Und last but not least, muss man sich klimafreundlichen Einkauf auch leisten können und wollen. Wir können das noch und wollen es auch. Dafür verzichten wir auf teure Reisen und wir wohnen sehr günstig (und ökologisch in einem Passivhaus, was gerade angesichts der steigenden Energiekosten ein wahrer Segen ist, weil wir nicht heizen müssen). Aber wir hätten deutlich mehr Geld am Ende des Monats, wenn wir nicht so sehr darauf achten würden, woher unsere Lebensmittel und auch Klamotten kommen. Ich habe selbst zu HartzIV Zeiten so gut es ging, bio gekauft. Wenn z.b. Bio-Eier nicht drin waren, gab es eben keine. Aber letztlich muss es so sein, dass alle sich gesunde Lebensmittel leisten können. Und gerade jetzt, wo die Preise in die Höhe gehen, wird das immer weniger der Fall sein. Das Problem ist, dass zuviele Menschen auf günstig produzierte Lebensmittel und auch Klamotten angewiesen sind und einer muss die Zeche zahlen. Die Umwelt, aber auch die, die diese Dinge zum Teil unter erbärmlichen Bedinungen erzeugen.

Schokolade, Kaffee und Tee kaufe ich schon ewig fair-trade. Aber wie gesagt, dass muss man können und letztlich auch wollen, weil es natürlich teurer ist. Ich bekomme zwar mehr Qualität für mein Geld und sicherlich auch hochwertigere Lebensmittel, aber ich greife dafür auch tiefer ins Portemonnaie.

Apropos Portemonnaie, auch da habe ich vor etlichen Jahren mal genauer geschaut und habe meine Konto zu einer Bank verlegt, die weder mit Nahrungsmittelspekulationen noch mit Waffen Geld verdient und sehr transparent damit umgeht, wo Geld investiert wird (hauptsächlich in Bio-Projekte, genossenschaftlichen Wohnungsbau und andere soziale Projekte). Mal ganz abgesehen davon, bin ich auch sehr zufrieden mit meiner Bank. Es muss ja vielleicht nicht gleich eine Öko-Bank sein, aber eben auch nicht die Deutsche Bank oder die Postbank (gehört zur Deutschen Bank). Gegen den örtlichen Platzhirschen, die Hamburger Sparkasse, habe ich schon deshalb was, weil sie armen Menschen ein Konto verweigert, obwohl sie verpflichtet sind, auch diesen Menschen ein Konto zu ermöglichen. Ausserdem haben die auch damals bei der Lehmann-Pleite viele Kunden durch falsche Beratung in den Ruin getrieben, bzw. um ihre Ersparnisse gebracht.

Hier im Unverpackt-Laden preist mir eine Verkäuferin immer die Nachhaltigkeit an (was ja nicht falsch ist), postet aber alle paar Wochen Bilder einer neuen Flugreise, die sie gerade unternimmt. Passt für mich nicht zusammen. Aber auch hier denke ich, man kann schon mal Fliegen, solange man es nicht dauernd tut und vielleicht auch nicht gerade von Hamburg nach Berlin, Stuttgart oder auch München. Auch unser Auto macht mir nur ein mäßig schlechtes Gewissen, weil es mehr Lebensqualität für den Gatten bedeutet und wir es nicht für die Fahrt zum Briefkasten nutzen. Tatsächlich fahren wir damit eher selten (was dann wieder zu der Diskussion führen kann, dass Autos die Städte verstopfen, auch wenn sie nur rumstehen). Ich habe bis vor 10 Jahren übrigens fast nie ein Auto besessen, aber das ist natürlich keine Ausrede für heute. Trotzdem weigere ich mich, mich für jede Fahrt mit Roller und oder Auto zu rechtfertigen.

Ich versuche schon sehr bewusst zu konsumieren, was in manchen Bereichen schwer gelingt. In Handys, Photoausrüstung usw. ist sicherlich viel drin, was problematisch ist (seltene Erden z.B.) und irgendwann wird es vermutlich Kriege um immer knapper werdene Ressourcen geben. Und Flüchtlingsströme, gegen die alle bisherigen Pillepalle waren. Wir leben hier auf Kosten anderer, das steht ausser Frage.

Ich möchte niemandem auf den Schlips treten (wer sich getreten fühlt, möge bitte selber überlegen, warum), ich möchte nur mal darlegen, wie ich es sehe und das mir im Zusammenhang mit Klimawandel und Umweltschutz die Reduktion auf vegane Ernährung zu kurz gegriffen scheint. Und nicht jedes tierische Produkt ist verbunden mit Tierleid (vom Akt des notwendigen Tötens mal abgesehen, aber auch da gibt es inzwischen Produzenten, die sich bemühen, dass es für die Tiere stressfreier ist, was sich ja auch auf die Qualität des Fleisches auswirkt). Trotzdem, da beißt die Maus keinen Faden ab, sterben Tiere, damit wir sie essen.

Selbst bei der Milch kann ich gucken, dass ich welche aus Mutterkuhhaltung kaufe (die auch nicht tot verarbeitet wurde, weshalb man öfter mal einen Fettfleck auf dem Kaffee schwimmen hat)

Wie gesagt, von mir aus soll jeder essen, was er mag, sich so ernähren, wie er es für richtig hält, aber ich möchte zum einen nicht dauernd missioniert werden und ich fände es gut, wenn man sich, egal was man isst, damit auseinandersetzt, wo es her kommt, wie es verarbeitet wurde und nicht einfach vegan für die allein seelig machende und die Welt rettende Ernährungsweise propagiert. Ich jedenfalls werde keine sog. Ersatzprodukte essen, die nicht ohne Unmengen von Zusatzstoffen auskommen, die zum Teil sogar gesundheitsgefährdend sind und für die anderswo auf der Welt Regenwälder abgeholzt werden und Flächen in Monokulturen geschaffen werden, damit wir hier genug Tofu und Palmöl haben.

So, das musste mal raus. Wer meint, mich jetzt köpfen zu müssen, mag dies tun.

Ich wünsche Euch einen schönen Sonntag. Übrigens, bei uns gibt es jetzt viel und oft Salate in allen Variationen, frisch geerntet vom Bio-Hof. Aber manchmal gibt es auch ein Lammkotelett oder ein Würstchen dazu oder es landet Käse mit im Salat.