Nun erst mal Strohwitwe

Den Gatten habe ich heute morgen pünktlich in der Klinik abgeliefert. Noch hat er nicht mal ein Zimmer, weil da wohl alles drunter und drüber geht.

Jetzt hoffen mir mal, dass er nicht die Nacht auf dem Flur verbringen muss. Wann genau er morgen auf den OP Tisch kommt, wissen wir auch noch nicht.

Ich war in der Mittagspause mal kurz am Kanal.

Ich habe eh etwas Mühe, mich auf die Arbeit zu konzentieren. Wie das morgen gehen soll, ist mir gerade schleierhaft.

Ich gebe zu, ich bin inzwischen auch nicht mehr die Ruhe selbst. Das ist ja nun keine kleine OP.

Aber ich hoffe jetzt einfach mal, dass alles gut geht und die Operateure das oft genug geübt haben.

Ich fürchte, so ganz gut schlafen werde ich heute Nacht auch nicht.

Die Elstern bauen sich gerade ein Nest direkt vor unserem Küchenfenster. Da wird auch einiges an Geäst herbei geschafft.

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Ich komme gerade aus der Klinik und bin so richtig angefasst. Nicht nur, dass Martin immer noch kein Bett hat und trotz seiner Schmerzen stehen und sitzen muss und nicht liegen kann. Das ärztliche Aufklärungsgespräch hat ganz klar ergeben, dass die Variante mit dem Ballon-Katheder vor drei Monaten noch gute Chancen gehabt hätte. Aber da hat man ihn ja trotz Einweisung nicht aufgenommen. Nun ist die Bypass Variante die wahrscheinlichere. Das macht mich gerade richtig wütend. Die aufklärende Oberärztin war erfrischend offen und ehrlich, nützt jetzt aber auch nix mehr.

Martin wäre nicht nur vielleicht der Bypass erspart geblieben, sondern auch die Monate mit den teilweise schier unerträglichen Schmerzen und den Folgen an den Füßen, denen die schlechte Durchblutung auch nicht gut getan haben. Er kriegt jetzt sogar extra Schuhe, um die Füße zu entlasten.

Jetzt hoffe ich, dass Morgen alles gut geht. Die OP ist wirklich nicht ohne, das ist mir eben noch mal sehr deutlich geworden.

Der Arzt, der Martin operiert, hat ihn schon mal operiert und rein fachlich ist er da wohl in wirklich guten Händen.

Er hat übrigens immer noch kein Bett und es ist fast 21 Uhr. Und das „nur“, weil die Klinik es nicht gebacken bekommt, zwei Patienten zu verlegen, die gar nicht auf die Station gehören. Ein frisch operierter Patient liegt da schon den halben Nachmittag auf dem Flur, weil sie das Zimmer nicht leer kriegen.

Mit Glück habe ich meinen Mann dann in einer Woche wieder hier. Wenigstens muss man dank Fallpauschale ja keine Befürchtungen haben, über Gebühr im Krankenhaus bleiben zu müssen. Das Gegenteil ist leider eher der Fall. Martin hat x mal Patienten direkt retour geschickt, die blutig entlassen worden sind und die er dann versorgen sollte. Aber Hauptsache, die Rendite stimmt.

Bevor ich mich hier jetzt komplett in Rage schreibe, werde ich noch einen Happen essen, mich berieseln lassen und versuchen, etwas zu schlafen. Mein Magen spielt gerade verrückt und ich habe richtig Schmerzen, aber natürlich kein Vergleich zu dem, was Martin durchleidet.

Wenn ich wieder Zeit habe, muss ich unbedingt mal wieder in den Inselpark. Ein Facebook Freund hat einen Grünspecht abgelichtet und der steht noch ganz oben auf meiner Wunschliste.

Sorry, wenn ich so springe, aber ich kriege mich gerade selber nicht so sehr gut sortiert.

20 Anmerkungen zu “Nun erst mal Strohwitwe

  1. Du Ärmste! Ich leide mit dir und kenne dieses schreckliche Gefühl der Hilflosigkeit. Wenn man sieht, wie schlecht es dem liebsten Menschen geht, wie viel leichter man es ihm machen könnte und hätte schon längst machen können, macht sich so viel Wut in einem breit.
    Es ist nicht zu fassen, dass unser einst so gepriesenes Gesundheitssystem dermaßen den Bach runtergegangen ist.

    Ich wünsche dir sehr, dass du ein bisschen zur Ruhe kommst, und vor allem wünsche ich deinem Mann, dass die OP gut verläuft. :heart:

  2. Das mit den Klinikzuständen macht mich fassungslos – für einen Patienten, der einen Termin und starke Schmerzen hat, kein Bett bereitstellen zu können, wirft auf das im Laufe der Jahre immer stärker herunter gewirtschaftetes und gespartes Gesundheitswesen ein bezeichnendes Licht. Offenbar haben viele Leute an noch viel mehr Punkten einfach zu viel falsch gemacht.
    Dass mit dem Ballonkatheter vor drei Monaten würde mich bis zur Weißglut ärgern – würde aber auch nichts nutzen.
    Also einen, nein ganz viele liebe Grüße

  3. Liebe Birte,
    das sind ja wirklich schlimme Zustände. Ich hoffe, dass dein Mann nun endlich ein Bett bekommen hat. Und für die OP wünsche ich ihm alles Gute. – Deinen Fotos sieht man deinen aufgewühlten Gemütszustand auf jeden Fall nicht an, die sind wieder allererste Sahne. Die kleine Schwanzmeise ist einfach nur zauberhaft.
    Ich wünsche dir trotz allem eine gute Nacht. Ich kenne inzwischen ziemlich viele Menschen (muss am Alter liegen), die Bypass-Operationen brauchten. Ich glaube, du solltest zuversichtlich sein. Das wird schon gutgehen.
    Herzliche Grüße – Elke

    1. Für Martin ist es der dritte. Zwei hat er schon in den Beinen. Einer davon hat sich gleich wieder zugesetzt, daher ja seine Gehbehinderung.
      Ich habe mich für heute aus dem Büroverkehr gezogen.

  4. Wünsche Deinem Mann alles erdenklich Gute. Und wie vieles hat das mit den „freien“ Betten auch 2 Seiten. Die Betten für die Patienten zu organisieren, gehörte jahrelang zu meinem Job und was man da alles erleben „darf“ da rollen sich manchmal die Fußnägel auf. Es liegt nicht immer an der Klinik …
    Deine Fotos sind Spitze, gefallen mir supergut.
    Viele liebe Grüße und wünsche Dir von Herzen, dass es bald besser wird.

    1. Es war eine geplante Aufnahme und es kann ja wohl nicht sein, dass ein schmerzgeplagter Patient 10 Stunden auf ein Bett warten muss. Natürlich sind Notfälle nicht einplanbar, das weiß auch Martin, der selber lange genug im Krankenhaus gearbeitet hat.
      Viel mehr ärgert mich aber diese späte Behandlung und dass man vor drei Monaten noch anders und für Martin nicht so schwerwiegend hätte handeln können. Dafür können Ärzte und Pflegekräfte nix, das ist mir klar.

  5. Alles Gute, Euch beiden.

    Über den Sündenfall eines profitorientierten Gesundheitssystem schreibe ich nichts, sonst wird das zum Manifest.

    1. Hauptsache wir klatschen von den Balkonen…. sorry, aber ich bin gerade wirklich richtig sauer.
      Hier wird nicht nur an der Butter gespart (die die Asklepios-Kliniken aus Kostengründen gestrichen hat)

    1. Ja, das hoffe ich auch. Noch wissen wir nicht, wann er operiert wird. Vermutlich schiebt er gerade schlechte Laune, weil er keinen Kaffee trinken darf B-) Essen natürlich auch nicht, aber das tut er eh nie so früh.

  6. Jetzt habe ich alle Kommentare durchgelesen und kann mich da auch nur anschließen.
    Es ist eine Katastrophe wie unser Gesundheitswesen den Bach runter geht. Bei uns ist es das Sana-Klinikum und frage nicht, wie es da zugeht , ist wohl überall gleich 😟
    Ich frage mich wie das alles weitergeht und mag gar nicht dran denken,
    dass es einen ja selber auch erwischen kann 😳
    Dir und deinem Mann wünsche ich natürlich das Allerbeste ,
    wie Elke schreibt, es wird schon gut gehen !
    Alles, alles Gute und
    liebe Grüße
    Jutta

    1. In Hamburg waren viele Kliniken in städtischer Trägerschaft und unser Bürgermeister hat sie dann, gegen den Willen der Hamburger*innen, an Asklepios verscherbelt. Wobei es im Universitätskrankenhaus gerade auch nicht besser aussieht. Was ich da mit meiner Mutter erlebt habe war wirklich unterirdisch.
      Die Personaldecke ist einfach viel zu dünn und die, die noch dort arbeiten, sind am Ende mit ihren Kräften. Das Problem wird sich auch nicht von heute auf morgen lösen lassen. Mehr Geld alleine ist es ja nicht.

Leider keine Anmerkung mehr möglich.