Hamsterrad

manchmal habe ich einfach keine Lust mehr, jeden Morgen früh raus, jeden Tag 9 Stunden am Schreibtisch, jeden Tag 9 Stunden mit Menschen, mit denen ich eher weniger meine Freizeit verbringen würde. Jeden Tag 9 Stunden Arbeit, die ich zwar nicht überflüssig finde, die mich aber auch nur sehr bedingt ausfüllt. Jeden Tag raus in die Welt und immer viel zu wenig Zeit für die Dinge, die vielleicht wirklich wichtig sind. Für ein paar Stunden am Wochenende, für ein paar Wochen Urlaub, egal ob Zuhause oder unterwegs.

Da ich keine 20 mehr bin, schaffe ich neben meinem Job auch nicht mehr wirklich viel. Ich gehe immer sehr früh ins Bett, stehe Morgens auf, komme gegen 18 Uhr nach Hause…..

Tja, so ist es halt, das Arbeitsleben. Die Kehrseite ist ein gesichertes Einkommen, kein Reichtum, aber davon kann man leben. Die Kehrseite ist auch eine zumindest noch kleine Zusatzversorgung für die Rente (die bei mir höchst mickrig ausfallen wird), Weihnachts-und Urlaubsgeld. Die Kehrseite ist natürlich auch, unter Menschen zu sein, sich auszutauschen, zu streiten, etwas gemeinsam auf die Beine zu stellen, miteinander auch Spaß zu haben.

Und nein, ich gehöre nicht zu den Menschen, die gut mit ganz wenig Geld auskommen können. Habe ich alles schon gehabt und dahin will ich eben auch nicht zurück. Ich bin froh, dass ich jetzt nur noch gelegentlich vor der ARGE parke, deren Kundin ich früher war. Ich esse gerne gut, ich fahre auch gerne mal weg. Ich habe einen Faible für schöne Klamotten und schönen Schmuck. Klar, braucht man alles nicht zwingend, aber ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, das alles bedeutet mir nix. Und ich finde es schon entspannend, wenn eine kaputte Waschmaschine nichts ist, was uns finanziell ruiniert, wenn das Auto in die Werkstatt kann, das wir uns überhaupt eines leisten können. Ohne wäre vieles, gerade jetzt mit Martins Behinderung, deutlich beschwerlicher.

Trotzdem stelle ich mir manchmal die Frage, ist es das alles wert, will ich das noch 12 Jahre so machen? Aber was ist die Alternative?

Ich kriege hier schon manchmal den Blues, wenn ich morgens durch die halb dunkle Wohnung tapse, mich möglichst leise für den Arbeitstag vorbereite, um Martin nicht zu wecken und auch die Katzen begeben sich wieder in ihre „Betten“, sobald ich die kleinen Mägen gefǘllt habe. Ich glaube allerdings, dass sie das machen, weil sie wissen, dass um diese Uhrzeit von mir nicht viel mehr zu erwarten ist, weil ich duschen, mich anziehen, meine Brote usw. machen muss.

Aber mal andersrum gedacht… was würde ich denn machen, wenn ich plötzlich all die Zeit hätte, die mir immer fehlt? Ich würde sicherlich öfter losziehen, um zu photografieren, aber füllt mich das dann aus? Ich hätte mehr Zeit für Freunde und Familie. Aber eben auch weniger Geld, um an gemeinsamen Aktiviäten teilhaben zu können. Klar, auch da kann man kostengünstig was machen, aber das wäre es dann eben auch immer…gucken, ob was geht. Reisen gingen dann sicherlich kaum noch, auch wenn wir noch ein paar Rücklagen haben. Aber die halten auch nicht ewig. Und es ist vermutlich schwieriger, seinen Lebensstandard runterzuschrauben, als hoch….

Als wir uns kennenlernten, hatten wir keine Mark auf der Naht. Wir waren beide Kunde beim Jobcenter, wenn dann auch nicht mehr lange, aber wir hatten beide lange Durststrecken hinter uns.

Über die Jahre haben wir uns dahin geackert, wo wir heute sind und das nicht nur wegen des Geldes. Arbeiten ist ja schon auch mehr und ich arbeite durchaus gerne. Wobei mein jetziger Job für mich nur so halb das Richtige ist. Es ist zwar ein relativ entspannter nine-to-five Job, gelegentlich auch mal mehr, aber insgesamt eher ruhig und mir fast zu ruhig. Muss ja nicht gleich wieder vom Kaliber Kirchentag sein, aber vielleicht irgendwas dazwischen…

Ich bin durchaus auch gerne mit dem Kolleg*innen zusammen, bin gerne telefonisch und persönlich Ansprechpartnerin für unsere Fachbereiche und die Pastores in der Krankenhausseelsorge, deren Personalakten ich auch führe und verwalte. Und selbst mit meinem Chef, dessen Assistentin ich bin, hat es sich erfreulich zurecht geruckelt und mit dem anderen Chef geht es mal so, mal so. Aber es ist unter´m Strich auch etwas eintönig. Ich bin einfach nicht die geborene Verwaltungstante.

In den Einzelhandel möchte ich allerdings auch nicht zurück. Unser Hofladen hat immer mal wieder Stellen frei, aber den Knochenjob für meistens eher wenig Geld möchte ich dann auch nicht, bei aller Liebe zu Lebensmitteln aus biologischer Erzeugung und meinen nicht ganz unwesentlichen Fachwissen auf dem Gebiet.

Aber was dann ? Weitermachen wie bisher, noch mal was Neues suchen, noch mal zu ganz anderen Ufern aufbrechen.

Wäre vielleicht ein schnuckeliger Second Hand Laden mein Traum? Aber selbstständig mit allem Risiko und vor allem SELBST und STÄNDIG (Martin kann ein Lied davon singen, er war es ja mal). Ausserdem bin ich ein Schisser und brauche das Beständige eines festen Gehaltes und die Sicherheit, immer meine Kosten decken zu können.

Vielleicht liegt es auch ein Stück an mir… ich bleibe nicht Zuhause, wenn es mir schlecht geht. Ausser ich bin so richtig krank, aber das war ich zuletzt im Januar 2019. Das home office ermöglicht ja nun auch Arbeiten von Zuhause aus, was ich z.B. bei einer Erkältung oder anderem, was ansteckend ist, auch nutzen würde. Aber manchmal geht es auch mir einfach so nicht gut. Müde, erschöpft, seelisch ein bisschen down… ich bin ja keine Maschine und trotzdem gehe ich dann zur Arbeit.

Oder es weiter aushalten, wobei das ja nun auch keine unzumutbare Angelegenheit ist. Und anders damit umgehen, dass ich eben noch 12 Jahre ins Hamsterrad muss, während der Gatte Morgens noch im wohlig warmen Bettchen liegt und theoretisch tun und lassen kann, wozu er Lust hat (aber wehe, abends gibt´s nix zu essen B-) und ich oft denke, boah, warum nutzt er die Zeit nicht, warum geht er nicht raus und photografiert Hamburg leer. Wie lange ich das wohl tun würde, wenn ich es denn könnte…

Arbeiten zu gehen, ist natürlich immer auch ein bisschen gesellschaftlicher Druck, wenn man den an sich ran lässt. Wer arbeitet oder nach vielen Jahren Arbeit in Rente ist, gehört dazu. Da muss man manchmal ein dickes Fell haben oder sich in Kreisen tummeln, wo man nicht über die Erwerbsarbeit definiert wird. Beides ist mir früher einigermaßen gelungen, trotzdem war ich aus vielerlei Gründen froh, als ich mich zurück ins Berufsleben gekämpft hatte. Und die Zeit bei Kirchen-und Katholikentagen war einfach ganz besonders, wenn auch sehr sehr anstrengend. Hat man aber mal Zweifel, hört man nicht selten, sei doch froh, dass Du Arbeit hast. Bin ich ja auch und ich habe nicht die schlechteste. Da gibt es Menschen, die müssen für weniger Geld sehr viel bescheidenere Jobs machen und können manchmal nicht mal davon leben. Mir ist schon bewusst, dass ich es nicht so ganz schlecht habe, aber die Zufriedenheit ist halt auch immer eine höchst individuelle Angelegenheit. Immerhin mache ich mich nicht kaputt, um das Vermögen von irgendjemandem zu mehren oder irgendwelche Aktionäre zufrieden zu stellen und bei uns werden soziale und arbeitsschutzrechtliche Standards eingehalten. Auch bei Kirche geht es nicht immer nur schön zu, aber in meinem Bereich wird tatsächlich auf einiges geachtet.

Gedankengewusel, das immer mal wieder auftaucht. Ob es mal Konsequenzen haben wird…. wir werden es sehen. Und wenn alles so bleibt wie es ist, dann soll es halt so sein.

Manchmal bin ich halt nur einfach ein bisschen müde und erschöpft. Meistens gibt sich das auch wieder und wenn nicht, dann weiß ich wohin damit. Zum Glück habe ich ja Menschen, die mich begleiten, die Entscheidungen mittragen und oder mich einfach unterstützen, mit mir gemeinsam reflektieren und mich spiegeln und mir kritisch zur Seite stehen.